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You are here: Home Archive 2016 Reinert, Katharina: Jagd und Jagdtourismus in Namibia als nachhaltiger Entwicklungsfaktor

Reinert, Katharina: Jagd und Jagdtourismus in Namibia als nachhaltiger Entwicklungsfaktor

Book review Erdkunde 70(4) 2016, 375-377 by Fabian Thiel

Reinert, Katharina: Jagd und Jagdtourismus in Namibia als nachhaltiger Entwicklungsfaktor. 61 S., 15 Abb., 8 Tab. u. Anhang. Entwicklungsforschung. Beiträge zu interdisziplinären Studien in Ländern des Südens 17. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2015, € 16,80

Das vorliegende Buch, eine Bachelorarbeit zu „Jagd und Jagdtourismus in Namibia“ von Katharina Reinert aus dem Bereich Anthropogeographie der Justus-Liebig Universität Gießen, verkörpert eine geographisch-fächerübergreifende Arbeit im besten Sinne. Reinert untersucht die Wechselwirkungen zwischen den Geosphären am Beispiel des Untersuchungsgegenstands „Jagd“ und der damit zusammenhängenden Wirtschafts- und Landentwicklung hinsichtlich Lithosphäre, Pedosphäre, Biosphäre und  Anthroposphäre in Namibia. Ausgehend von dem methodischen Ansatz der Analyse der Wildtierbewirtschaftung arbeitet sich die Autorin in der Tat überwiegend werturteilsfrei in fünf Hauptkapiteln in die Determinanten des Jagdtourismus, seiner Querverbindungen und Schattenseiten, etwa die Trophäenjagd, ein. Sie verweist auf die Flora und Fauna des Landes als ein Rückhalt des Staates (S. 13 ff.), analysiert im dritten Kapitel den Terminus des „Jagdtourismus“, um im 4. Kapitel auf die technischen und wirtschaftlichen Elemente und Instrumente der Jagd einzugehen (S. 32–51), wozu aus Sicht der Verfasserin vor allem die Einbindung in sog. „Conservancy Parks“ gehört (S. 41–51). Namibia, das unter deutschen Jägern immerhin viertbeliebteste Reiseland (was auf Dauer zu steigenden Preisen für die Jagd in dem Land führen dürfte), muss auch in Bezug auf so genannte Jagdarrangements (S. 24 f.) diversifizieren. Den Trend zur Einzäunung (fencing) von Farmland und von ehemals gemeinschaftlich genutzten kommunalen Grundstücken im Zuge der Landprivatisierung wertet Reinert als gute Bedingung für die wirtschaftlich einträgliche Trophäenjagd u.a. von Kudus, Erdferkeln, Honigdachsen, Hartebeest, Springbock, Warzenschwein und Oryx. Berufsjagd und Trophäenjagd sind in Namibia säuberlich voneinander zu trennen; zutreffend wird auf die ökologischen Folgewirkungen (Eingriff in die Hydrosphäre etc.) hingewiesen, die insbesondere die populären Lodges nach sich ziehen. Neben der klaren Sprache der Arbeit fällt die terminologische Fachkenntnis der Bearbeiterin auf, welche für die mit der Arbeit erklommene Qualifikations- und Ausbildungsstufe eher ungewöhnlich ist; die eigenen Jagdkenntnisse der Verfasserin, etwa bei der Behandlung von Premiumjagd, culling oder softskinned animals, kommen hier deutlich zum Tragen.
Ärgerlich aus juristischer Sicht ist allerdings, dass die Verfasserin konsequent – und konsequent unrichtig – von „Farm- bzw. Landbesitzern“ spricht, wo ersichtlich Farm- bzw. Landeigentümer gemeint sind. Dieser auf den ersten Blick marginalen Unterscheidung kommt bei der Frage der Validierung der Einkommen aus der Jagd, der Nutzung/Überlassung der betreffenden Grundstücke sowie hinsichtlich der Erlaubnis aus der Nutzung der verschiedenen Wildschutzkategorien (S. 36) erhebliche Bedeutung zu. Zwischen Besitz (pessession) und Eigentum (property; registered freehold) ist strikt zu trennen. Denn, wie die Verfasserin völlig zu Recht feststellt, ist „Land“ mitsamt den jagdbaren Bewohnern aus der Biosphäre eine Schlüsselressource in Namibia. Insbesondere die Conservancies sind aus Sicht des Planungsrechts und Landmanagements zu schützen, zu sichern und für den Jagdtourismus weiter zu attraktivieren. Für mich stellen diese Ausführungen den konzeptionell wichtigsten Teil dieser Publikation dar, indem die Brücke zur essenziell wichtigen Landpolitik geschlagen wird. Afrikanische Landpolitik weist stets Querverbindungen zu anderen staatlichen Handlungsfeldern wie der Wohnungsbau-, Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Geschlechter-, Gesundheits-, Sozial-, Wasser- und Naturschutzpolitik auf. Als Namibia 1990 seine politische Selbstständigkeit erhielt, wurden auf der legendären National Conference on Land Reform and the Land Question („Landkonferenz“) im Jahr 1991 zahlreiche Gesetze zur Neuordnung der Landnutzung auf den Weg gebracht. Analog zu Art. 98 der Verfassung Namibias lassen sich zu den land tenure folgende Eigentums- und Besitzkategorien zuordnen: Öffentlich (communal land), privat (commercial land), gemischt öffentlich-privat (public private), gemeinschaftlich (co-operative) und miteigentumsrechtlich (co-ownership) (vgl. auch Melber 2000; Werner 2003; Thiel 2007). Vor allem in den „commercial areas“, die nach wie vor als Synonym für das weiße koloniale Erbe in Namibia angesehen werden (vgl. auch Dittmann 2016), entwickelt sich in jüngster Zeit der in Rahmenprogramme eingebettete Jagd- und Erlebnistourismus. „Einige Hegegebiete sind somit abhängig von der Trophäenjagd und könnten ohne den Verkauf von Jagdlizenzen und Konzessionen nicht bestehen“, schreibt Reinert (S. 48). Zunehmend mehr Jagdtourismus findet auch in den „communal conservancies“ statt (S. 59); allerdings stellt sich die Frage nach der Verteilung der Jagdeinnahmen auf der kommunalen Ebene. Hier wäre in der Praxis ein Indikator für „good (hunting) governance“ zu entwickeln, denn Korruption und illegale Handlungsweisen seien trotz der landesweiten Kontrollen gegenwärtig (S. 52). Generell benötigen Trust- und Gemeinschaftslandbewirtschaftungen verlässliche gesetzliche Regelungen. Sie dürfen allerdings nicht überreguliert werden, sondern müssen einen gestalterischen Freiraum zur eigenverantwortlichen Landnutzung erhalten, um auch grundstücksnachbarübergreifende Tourismuskonzepte zu realisieren. Die Verfasserin bemängelt abschließend einen Fehldialog zwischen den Beteiligten, weist auf Landkonflikte – hier in einem in der Fachliteratur allenfalls stiefmütterlich behandelten Problemkomplex – hin und fordert eine Strategie der Wertschätzung jenseits ökonomischer Kriterien und Indikatoren (S. 53 ff.). Mein Resümee dieser geosystematisch ausgerichteten, flüssig lesbaren Arbeit ist: Die Jagdbewirtschaftung kann durchaus als die beste Art von Naturschutz und auch als echte Tierschutzoption bei den Communal Conservancies angesehen werden; sustainable resource management und Jagd sind offenbar doch kompatibel. Dass auch Geparden, Leoparden und Löwen als Trophäen in Namibia bejagt werden dürfen – wenn auch nur durch eine Sondergenehmigung im Jagdschein (S. 39) – ist auf das Eigentümerbelieben in den jeweiligen Gebieten zurückzuführen, in denen diese (durchaus umstrittenen) Jagdaktivitäten stattfinden. Liegt die betroffene Jagdfarm in einem „kommerziellen“ oder privatisierten kommunalen Gebiet, darf ein Landeigentümer daher de facto dort jagen, was ihm oder ihr beliebt und andere Eigentümer und Nutzer von jeder Einwirkung auf die Grundstücksnutzung und „Nachschau“ ausschließen. Katharina Reinert weist in ihrer interessanten Arbeit wie bereits erwähnt völlig zu Recht auf die mangelnden Kontrollen sowie die Korruption hin. Die wahren Probleme und Herausforderungen liegen daher auch bei der Jagdbewirtschaftung in Namibia in der Boden- bzw. Landpolitk (vgl. dazu weiterführend GIZ 2014; Woeller 2005).

Fabian Thiel

 

Literatur

GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) (2014): A decade of communal land reform in Namibia. Review and lessons learnt, with a focus on communal land rights registration. Windhoek.

Dittmann, A. (2016): Rezension zu: Kößler, Reinhart: Namibia and Germany. Negotiating the Past. Münster, 2015. In: Erdkunde 70 (3), 193–194.

Melber, H. (2000): Namibia – A decade of independence 1990–2000. Windhoek.

Thiel, F. (2014): Rezension zu: Søreide, Tina and Williams, Aled: Corruption, grabbing and development, real world challenges. Cheltenham, 2014. In: Erdkunde 68 (3), 223–225.

– (2007): “Feeding a Growing Appetite for Land“ – Landpolitik in Afrika. In: Zeitschrift für Sozialökonomie 153, 3–16.

Werner, W. (2003): Land reform and poverty alleviation: experiences from Namibia. Windhoek.

Woeller, A. (2005): Die Landfrage und Landreform in Namibia. München.

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