Bartetzky, Arnold: Die gerettete Stadt. Architektur und Stadtentwicklung in Leipzig seit 1989
Book review Erdkunde 70(4) 2016, 374-375, by Claus-C. Wiegandt
Auf über 300 Seiten setzt sich der Architekturkritiker Arnold Bartetzky in seinem Buch „Die gerettete Stadt“ sehr engagiert mit der baulichen Entwicklung der Stadt Leipzig auseinander. Er erinnert an den extremen baulichen Verfall der Stadt durch die Mangelwirtschaft in Zeiten der DDR und zeichnet dann chronologisch nach, wie sich die Stadt in den vergangenen 25 Jahren in vielen Fällen zum Besseren entwickelt hat. Zahlreiche Bauvorhaben werden so in ihrer Entstehungsgeschichte detailliert beschrieben und in ihrem Ergebnis kommentiert. Die heftigen Diskussionen über den Umbau des Hauptbahnhofs werden ebenso dargestellt wie die schwierige Geschichte der Universitätskirche oder der Bau des neuen Einkaufszentrums Höfe am Brühl – um nur drei prominente Beispiele aus der Vielzahl an Vorhaben zu nennen. Vieles ist für mich als häufiger Besucher dieser Stadt nachvollziehbar, doch nicht alle Urteile zur architektonischen Qualität, die Bartetzky als Leipziger pointiert äußert, teile ich. Dies gilt beispielsweise für die sehr kritische Haltung gegenüber dem Shopping Center Höfe am Brühl, an dem Bartetzky kein gutes Haar lässt, das ich aber für eines der wenigen gelungenen Center seiner Art halte.
Auch weniger prominente Vorhaben außerhalb der Innenstadt dienen dem Autor, die verschiedenen Interessen der beteiligten Akteure am Umbau der Stadt aufzuzeigen. Die bauliche Gestalt wird auf diese Weise als ein Resultat der gesellschaftlichen Auseinandersetzung dargestellt. Immer wieder werden auch die Personen benannt und mehr oder weniger gewürdigt, die für die Entwürfe der Bauvorhaben verantwortlich sind. Der Autor stützt sich bei seinen Darstellungen zum einen auf viele Dokumente zum Planungsgeschehen aus verschiedenen Archiven und zum anderen auf zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen. Vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus der Architekturkritik werden im Text immer wieder zitiert. So erweist sich Bartetzky als ein außerordentlich informierter Kenner der Leipziger Nachwendegeschichte, der in seiner Sprache kaum verleugnen kann, dass er in den Feuilletons der großen Tageszeitungen über Architektur schreibt. Dies ist durchaus erfrischend und lässt sich gut lesen, wirkt stellenweise aber auch etwas blumig und besserwisserisch. Trotzdem: Die Darstellung neuer Erkenntnis in einer ansprechenden Sprache und nicht im nüchternen Wissenschaftsdeutsch ist Bartetzky insgesamt sehr gut gelungen.
Deutlich wird in dem Buch, dass die Entwicklung in Leipzig in den vergangenen Jahren nicht stromlinienförmig verlaufen ist. So wird daran erinnert, dass es einige Jahre gedauert hat, bis die ersten Bauvorhaben starten konnten und die provisorischen Zeltstädte für den Einzelhandel und die Baucontainer für die Banken aus dem Stadtbild verschwunden waren. Und dann gab es nach einer Phase der teils flächendeckenden Sanierung von gründerzeitlichen Altbauquartieren die Zeiten des Abrisses - nicht nur von Plattenbauten in Grünau, sondern auch von leerstehenden Altbauten im Osten der Stadt, die heftig beklagt werden. Inzwischen ist aber auch diese Phase Vergangenheit und Leipzig erneut im Aufwind.
Gezeigt wird weiterhin, dass Leipzig eine Stadt ist, in der in der Nachwendezeit viel Neues probiert wurde, um es dann teilweise auch in anderen ostdeutschen Städten zu übernehmen. Zu diesen Vorreitern gehören etwa die Zwischennutzungen, die Idee der Wächterhäuser oder die Stadthäuser in innerstädtischen Quartieren.
Schon der Titel des Buches deutet darauf hin, dass Bartetzky vieles von dem, was seitdem geschehen ist, positiv sieht, auch wenn er mit einzelnen Vorhaben sehr kritisch umgeht. Hier pendelt er ein wenig zwischen Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt. Dennoch oder auch gerade deswegen: Für alle, die die Entwicklung der Stadt Leipzig in der Nachwendezeit selbst erlebt oder auch aus der Ferne verfolgt haben, ist das Werk von Arnold Bartetzky sehr lesenswert, weil er immer wieder auch Verbindungslinien zwischen den einzelnen Vorhaben herstellt und die einzelnen Vorhaben in einen größeren politischen Zusammenhang stellt. So handelt es sich um ein ausgesprochen lesenswertes Werk, das für jeden Stadtgeographen mit Interesse an der ostdeutschen Entwicklung bereichernd ist.