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Book reviews 2012 [4]

Egner, Heike und Pott, Andreas (Hg.): Geographische Risikoforschung. Zur Konstruktion verräumlichter Risiken und Sicherheiten. 242 S., 18 Abb. und 3 Tab. Erdkundliches Wissen 147. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2010, € 44,-

Ein Buch mit dem Titel „Geographische Risikoforschung“ weckt Erwartungen. Es sind keine Skizzen oder einführende Gedanken, die hier präsentiert werden. Der Anspruch scheint weitreichender. Das von Egner and Pott herausgegebene Buch umfasst fünf Teile. Neben der von Egner und Pott verfassten, einleitenden „Rahmung“ und abschließenden „Schliessung und Weitung“ sind zehn eher empirisch bzw. konzeptionell angelegte Einzelbeiträge sowie zwei Interviews in das Buch aufgenommen worden. Das Buch ist in drei Teile gegliedert: „Fokussierung I: Konstruktion und Deutungen“, „Fokussierung II: Grenzen und Grenzziehung“ und „Fokussierung III: Macht und Kontrolle“. Die einzelnen Beiträge umspannen ein weites thematisches Feld und reichen von eher klassischen Risikobeiträgen wie z.B. Keilers und Fuchs’ Beitrag „Berechnetes Risiko: Mit Sicherheit am Rande der Gefahrenzone“ bis hin zu Beiträgen wie dem von Mohring, Pott und Rolfes: „No-Go-Areas in Ostdeutschland: Zur Konstruktion unsicherer Räume durch die Massenmedien“. Die einzelnen Kapitel sind Resultat eines intensiven, thematischen Austausches einer Working Group.
Im Zentrum dieser Buchbesprechung stehen vor allem das einleitende und abschließende Kapitel von Egner und Pott, denn sie werfen Fragen auf, die für ein Forschungsfeld „Geographische Risikoforschung“ relevant sind.
Die Herausgeber entwickeln eine beobachtungstheoretische Perspektive, die Risiken als das alleinige Produkt von Kommunikations-, allgemeiner von Zuschreibungsprozessen verstehen und schlagen sich damit auf die (radikal-)konstruktivistische Seite des Risikodiskurses. Sie berufen sich auf die Luhmannsche Unterscheidung von Risiko und Gefahr (Luhmann 1991) und erweitern den Luhmannschen Zugang durch eine Verräumlichung der Perspektive. Die Relevanz der Argumentation wird dadurch begründet, dass (1) der Raum in der Diskussion vernachlässigt wurde, (2) der entwickelte konstruktivistische Zugang in der Risikoforschung „keine weite Anwendung“ (S. 24) gefunden habe, solch ein Zugang aber den Vorteil habe, (3) rekonstruieren zu können, warum Akteure bestimmte Vorgänge als sicher oder andere als riskant definieren, wodurch (4) solch eine Perspektive – gleichsam als reinigende Kraft – ein für allemal klar mache, dass es ein ‚echtes’, ‚wahres’, ‚richtiges’ oder ‚objektives’ Risiko nicht gäbe, sondern eben alles konstruiert und außerhalb von Bedeutungszuschreibungen und Kommunikation nicht existent sei.
Auch wenn Egner und Pott meinen, dass dieser Ansatz neu sei, ist die hier entwickelte beobachtungstheoretische Perspektive in den Sozialwissenschaften durchaus gängig. Der Soziologie Voss meinte beispielweise schon 2006: „Die breite Literatur insbesondere der vergangenen zehn Jahre zeugt von einer deutlichen Dominanz solcher Theorien, die Risiken als soziale, also beobachterabhängige Konstrukte begreifen“ (Voss 2006). Auch in der (Risiko-)Geographie ist die Perspektive durchaus etabliert. Bereits Ende der 1990er Jahre hat Pohl, um nur einen Namen zu nennen, eine von Luhmann inspirierten konstruktivistischen Zugang in die geographische Diskussion eingeführt (Pohl 1998, 2002). Der theoretische Ansatz ist also weder für die sozialwissenschaftliche, noch für die deutschsprachige geographische Risikoforschung ein neuer. Egner und Pott scheinen in ihrer Einleitung vielmehr die Debatten der 1980er und 1990er zu reproduzieren: Hier die (guten) Konstruktivsten, dort die objektiven Risikoforscher mit ihrem „naiven“ Realitätsverständnis.
Des Weiteren könnte den einen oder anderen Leser verwundern, dass für ein Buch mit diesem Titel, die Rekonstruktion der geographischen Risikoforschung durchaus knapp ausfällt. Auf weniger als einer Seite werden rund 70 Jahre bewegte Geschichte komprimiert. Kein Wort zu den grundlegenden, in der Humanökologie eines Barrows bzw. im Pragmatismus eines Deweys verwurzelten Arbeiten von White (Hinshaw 2006), keine Hinweise auf die lesenswerten Arbeiten der kritischen und radikalen Geographen der 1970er und 1980er (Hewitt 1983). Nun mögen die Herausgeber gute Gründe gehabt haben, den Versuch einer Rekonstruktion gar nicht erst zu unternehmen. Eine verpasste Chance ist es aber allemal. Es hätte sich nachzeichnen lassen können (um nicht zu sagen, beobachten), wie innerhalb des geographischen Diskurses die Grenzen zwischen Natur und Gesellschaft, zwischen Individuum und Kollektiv, zwischen Handlung und Struktur, zwischen Realismus und Konstruktivismus immer wieder verschoben wurden, was gleichzeitig zu einem durchaus relevanten Thema des Forschungsfelds führt. Es ist Egner und Pott zuzustimmen, dass viele Geographen die physische Materialität von Risiken in ihren Konzeptionen berücksichtigen und versuchen sowohl der Materialität von Risiken als auch deren gesellschaftlichen Konstruktionen gerecht zu werden. Zwar haben einige Geographen vehement gegen die Vorstellung angeschrieben, dass Natur oder eine irgendwie geartete objektive Realität Risiken oder Verwundbarkeiten determinieren würde, die Vorstellung von einer externen, materiellen Realität wurde darüber allerdings nicht aufgegeben. Es blieb immer ein ‚Rest’, der als nicht imaginiert, kommuniziert oder sonst wie durch Repräsentationspraktiken konstruiert gedacht wurde. Risiken sind damit zwar gesellschaftlich produziert, die Auswirkungen aber sehr real.
Warum nun viele Geographen sich dafür entschieden haben, diesen ‚Rest’ zu thematisieren, hat viele Gründe. Zu kurz greift es aber, dies allein auf „forschungspraktische“ Gründe zu reduzieren (vgl. S. 19). Gerade die kritische (Risiko-)Geographie hatte und hat andere Gründe. Wenn Bohle und Watts die kausalen Strukturen von Verwundbarkeit aufdecken wollen, dann geschah dies nicht nur unter dem Eindruck verheerender, katastrophaler Ereignisse, die sich gesellschaftlich sehr differenziert auswirkten (Watts and Bohle 1993), sondern auch mit dem Ziel, Ungerechtigkeit und Ungleichheiten offen zu legen, die sich sehr real im Leben vieler Menschen auswirkten und noch wirken und daher nicht im Spiel von Beobachtungen und Gegenbeobachtungen aufgelöst werden sollten. Egner und Pott nehmen einen anderen Standpunkt ein und scheinen sich der damit verbundenen Schwierigkeiten durchaus bewusst zu sein, wenn sie in ihrem abschließenden Kapitel anmerken, dass Machverhältnisse nicht so ohne weiteres in den skizzierten erkenntnistheoretischen Standpunkt integriert werden können.
Einzelne Beiträge im Buch verdeutlichen allerdings, dass es nicht nur Fragen nach den jeweiligen gesellschaftlichen (Macht-)Verhältnissen sind, die etwas unterbeobachtet bleiben; der theoretische Zugang an sich stößt immer wieder an Grenzen. So scheinen die Herausgeber gegen Ende des Buchs ihre eigenen theoretischen Konstruktionen zu unterwandern, indem sie feststellen, dass die geographische Risikoforschung neue Risiken produzieren könne. Diese Risiken sind dabei sehr real, denn sie bestehen aus Häusern, die wegen eines Gefahrenplans in gefährdeten Räumen gebaut werden, was zu einem Anstieg der „Bedrohung und der potentiellen Schäden“ führe (S. 237). Hier schleicht sich ein gewisser Realismus ein, der fast beobachterunabhängig daherkommt, was auch aus einem anderen Grund nicht unbedeutend ist für dieses, wie die Herausgeber richtig feststellen, durchaus anwendungsorientierte Forschungsfeld: Auf welcher Grundlage werden eigentlich Entscheidungen getroffen, wenn Grundlagen im Prinzip kontingent sind, also als Beobachtung bzw. als Beobachtungen von Beobachtungen aufgelöst werden können?
Die physischen Geographen Bell und Kollegen setzen ihren eigenen Beobachtungen z.B. ein „Trotzdem“ entgegen und schreiben, dass gerade in der Praxis die Beobachtungsperspektive stumpf bleibe, da sie kein Begriff von der „wahren Gefährdung“ entwickeln könne, denn sie kann nicht zwischen ‚richtigen’ und ‚falschen’ Analysen unterscheiden. So meint auch Luhmann (nicht der bekannte Niklas, sondern Hans-Jochen) in seinem Beitrag „Verordnete Blindheit: Gesellschaftliche Wahrnehmung von Risiken“, dass sich trotz allen Hinweisen auf Konstruktion und Beobachtung früher oder später die Frage aufdrängt, wie z.B. eine richtige Standortentscheidung zu treffen sei. Es wäre interessant gewesen, wie die Working Group mit solchen (möglicherweise theorieexternen) Fragmenten umgegangen ist bzw. wie sie thematisiert wurden? Um es etwas zu pointieren: Was hätte die Working Group z.B. einem erzkonservativen US-Republikaner entgegen gehalten, wenn dieser den Klimawandel negiert oder den Biologieunterricht abschaffen möchte, da die Welt schließlich vor rund 6000 Jahren durch göttliche Gewalten geschaffen wurde? Selbstverständlich kann es auf diese Frage keine einfachen, zumal epistemologisch und ontologisch sauberen, Antworten geben (was sie natürlich umso interessanter macht). Sind manche Risikoabschätzungen nicht „besser“ oder sagen wir „robuster“ als andere und wenn ja, woran macht man das eigentlich fest?
Es sind vielleicht auch solche Fragen, die dazu geführt haben, dass sich in den letzten Jahren theoretische Positionen entwickelt haben, die Demeritt als „heterogenen Konstruktivismus“ bezeichnet(Demeritt 2006). Was die einzelnen, sich durchaus widersprechenden Standpunkte eint, ist der Versuch das Gegeneinanderausspielen von realistischen und konstruktivistischen Ansätzen zu umgehen und nicht-deterministische bzw. nicht-dualistische Ansätze zu entwickeln. Ein Buch mit dem Titel „Geographische Risikoforschung“ hätte die Möglichkeit geboten, sich dieser Schnittstelle etwas intensiver zu widmen und zu skizzieren, wie die dynamischen Wechselwirkungen zwischen der (ontologischen) Objektivität von Risiken und ihren sozialen Konstruktionen gefasst werden können, zumal sich die einzelnen Beiträge durchaus an dieser Frage gerieben haben.
Trotz oder vielmehr gerade wegen der genannten Fragen ist es ein relevantes Buch und das aus drei Gründen. Erstens, weitet es den Blick der geographischen Risikoforschung, die sich bisher meist auf das enge Feld der Naturgefahren bzw. des Entwicklungszusammenhangs beschränkt hat und zeigt Anschlüsse an andere „Geographien“ wie zum Beispiel die Stadtforschung. Zweitens, verschiebt es den Schwerpunkt von der Mensch-Umweltforschung hin zur Frage, wie die Konstruktion von Risiken in Beziehung zur Konstruktion von Räumen und deren Beobachtung steht – wobei mancher Leser auch hier einen Verweis auf bereits geleistete Vorarbeiten anderer Autoren, wie z.B. Mustafas Überlegungen zu hazardscapes vermissen könnten (Mustafa 2005). Drittens, lädt es zum Widerspruch ein (siehe oben), wobei es gut sein kann, dass die Herausgeber mit ihren einleitenden und schließenden Worten die Möglichkeit der Kritik anlegen wollten und auf Widerspruch und Positionierung gesetzt haben. In diesem Fall könnte das Buch möglicherweise seinen Zweck erfüllen und man möchte den Autoren dafür fast schon wieder gratulieren.

Christian Kuhlicke

 

Literatur
Demeritt, D. (2006): Science studies, climate change, and the prospects for constructivist critique. In: Economy and Society 35, 453–479.
Hewitt, K. (ed.) (1983): Interpretation of calamity: from the viewpoint of human ecology. Boston.
Hinshaw, R. E. (2006): Living with nature’s extremes: the life of Gilbert Fowler White. Boulder.
Luhmann, N. (1991): Soziologie des Risikos. Berlin.
Mustafa, D. (2005): The production of an urban hazardscape in Pakistan: modernity, vulnerability, and the range of choice. In: Annals of the Association of American Geographers 95, 566–586.
Pohl, J. (1998): Die Wahrnehmung von Naturrisiken in der ‘Risikogesellschaft’. In Heinritz, G.; Wießner, R. M. und Winiger, R. M. (Hg.): Nachhaltigkeit als Leitbild der Umwelt- und Raumentwicklung in Europa. Verhandlungen des 51. Deutschen Geographentages. Stuttgart, 153–163.
– (2002): Naturgefahren und Naturrisiken. In: Geographische Rundschau 54, 4–8.
Voss, M. (2006): Symbolische Formen: Grundlagen und Elemente einer Soziologie der Katastrophe. Bielefeld.
Watts, M. and Bohle, H.-G. (1993): The space of vulnerability: the causal structure of hunger and famine. In: Progress in Human Geography 17, 43–67.

 

Zinck, Joseph Alfred and Huber, Otto (eds.): Peatlands of the Western Guayana Highlands, Venezuela. Properties and Paleogeographic Significance of Peats. X and 295 pp., numerous figures and tables and 3 appendices. Ecological Studies 217. Springer Berlin Heidelberg 2011, € 106,95 / £ 90.- / $ 129.-

This book presents the results of fieldwork carried out in the western section of the Guayana Highlands between 1992 and 1996. The peatlands of the tropical highlands and ‘tepuis’ in Venezuela are unique and their morphological, physical and chemical characteristics and their peculiar soils are described in detail, providing insights to an otherwise little known ecosystem.
The book has 9 chapters covering geology, geomorphology, vegetation and soils of the tepui summits (table mountains) of the Guayana Highlands of southern Venezuela but with particular focus on the properties, age record and paleogeographic significance of the peat that has accumulated during the Holocene. These tropical highland peats are much less well known than boreal and temperate peats.
Chapter 1 provides a brief introduction to the Neotropical biogeographical region of Guayana covering an area of around 2.5 million km2 in the northeast of South America. The peatlands are found mainly on the large tepui summits. Chapter 2 is an overview of tropical and sub-tropical peats, relating these to worldwide peatland extent and distribution. It deals also with factors controlling peat formation and development, peat characteristics and peat classification. Chapter 3 expands upon the geo-ecological characteristics of the Venezuelan Guayana Region that were mentioned briefly in the introduction. It describes early exploration of the region in colonial British times that yielded the first plant and animal collections from this completely unknown environment. There is much interesting detail of the geomorphology, climate, and vegetation of the lowlands, uplands and highlands of this region together with information on three study areas. Chapter 4 focuses on the physical setting of the peat deposits and the nature of the rock substratum and geomorphic landscape that control the spatial distribution, configuration and hydrology of peatland features and determine peat types and patterns. Peatland covers approximately 30% of the tepui summits, making up about 1500 km2 of the entire Guayanan Highlands. Owing to landscape variations peat occurs in depressions, on gentle slopes and in small valleys. Maximum peat thickness is 2 metres. Chapter 5 highlights the specific nature of organic soils and the different criteria and methods used to characterise and classify them compared to mineral soils. Chapter 6 presents the morphological, physical and chemical properties of the peat soils in the western Guayanan Highlands and their spatial variations. Taxonomic classification of the soils is presented and issues related to the classification are discussed. Chapter 7 discusses the 14C dating of selected peat layers and interprets the peat age record with respect to peat formation and environmental changes within the Holocene. Chapter 8 evaluates the relationship between peat δ13C and peat age as estimated by 14C dating in order to relate the variability of δ13C values to vegetation composition, changes in atmospheric CO2 concentration and chemical changes occurring during peat ageing. Chapter 9 presents a synthesis of the major findings of the field and laboratory research based on the conclusions presented at the end of each of the previous chapters.
Overall, this book is a fascinating read and is recommended as a major source of information on a little known and hardly understood peatland ecosystem. It will appeal to a broad range of scientists interested in tropical peatlands and peat including quaternarists, soil scientists, and land use planners and others although the price may be a disincentive.

Jack Rieley




Parnreiter, Christof (Hg.): Stadt und Globalisierung. 121 S., zahlr. Abb. und Tab. Hamburger Symposium Geographie 3. Institut für Geographie der Universität, Hamburg 2011, € 12,-

Der vorliegende Band besteht aus einem umfangreichen Teil A mit fünf Beiträgen (davon zwei des Herausgebers) und einem deutlich geringeren Teil B mit nur einem fachdidaktischen Beitrag, der leider – trotz seines sehr anwendungsbezogenen Themas über „Migrationsbiographien als Leitlinien zu anderen Orten der Welt“ – hier wie ein Appendix wirkt.
In seinem ersten Artikel versucht C. Parnreiter das „Machen“ der Globalisierung in den Global Cities herauszustellen. Basierend auf neueren Erhebungen der Globalization and World Cities Study Group and Network werden die von Taylor u.a. (2010) „errechneten“ Daten des World City Networks vor allem benutzt, um die Global Network Connectivity der europäischen Top 50-Städte und deren „geographische Ausrichtung“ kartographisch darzustellen (Abb. 2, 3). Leider gelangt der Verfasser dann über eine bloße Beschreibung nicht hinaus. Besser gelingt die Darstellung von Mexiko-Stadt als „zentraler Knoten globaler Warenketten“ und der sozialen wie räumlichen Veränderungen durch das verstärkte Auftreten von Global City-Funktionen in der Innenstadt von Frankfurt/Main. Jedoch unterbleibt hier eine aufgrund der Quellenlage durchaus mögliche kartographische Darstellung.
Eine solche zur sozialräumlich-demographischen Gliederung (Abb. 4) steht am Ende der prägnanten Studie von J. Ossenbrügge über den „gegenwärtigen Strukturwandel“ des Wirtschaftsraums Hamburg unter dem Einfluss der Globalisierung, wobei Hamburg jedoch nur „ansatzweise als eine Global City“ gilt (S. 42). Durchaus innovativ und gut gelungen sind ferner die Ausführungen über „urban governance“ und die Auswirkungen zur „Politik der wachsenden Stadt“ des schwarz-grünen „Globalisierungsregims“ (S. 40) auf das wirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen sozialen Konsequenzen der Hansestadt.
Es ist bekannt, dass bauliche Großprojekte im weltweiten Wettbewerb der Metropolen um Unternehmensstandorte eine erhebliche Rolle spielen. Dabei kommt der Architektur und vor allem einer „Riege global agierender Architektenbüros“ (S. 45; z.B. N. Foster, F. Gehry) eine erhebliche Bedeutung zu, aber auch dem Wettbewerb der Metropolen um diese Büros. Der Bedeutung von spektakulären, sehr kostenintensiven „globalen“ baulichen Großprojekten und ihre Rolle im Städtewettbewerb widmet sich der bemerkenswerte Beitrag von M. Grubbauer. Als gut analysierte und interpretierte Fallbeispiele dienen ihr die City of London und die Londoner Docklands mit ihren globalen „Leuchtturmprojekten“, wobei die – politisch bedingten – unterschiedlichen Planungsetappen und Realisierungsphasen sehr deutlich werden.
Ausgehend von diesbezüglichen Thesen S. Sassens präsentiert A. Strüver eine gut formulierte Zusammenfassung der bisherigen theoretischen Diskussion über die im Rahmen der Globalisierung zunehmende transnationale Migration, „angereichert“ mit knappen Hinweisen auf Beispiele aus Hamburg. Sie diskutiert die Rolle der zahlenmäßig klar dominierenden „globalisierten Dienstmädchen“ als „Bodenpersonal des Globalisierungsgeschehens“ (S. 67). Hier ist kritisch zu fragen, ob a) diese „Globalisierung von unten“ in vielen Fällen nicht auch als Chance zum Aufstieg sowohl in den Ziel- als auch in den Quellgebieten der Migration gesehen werden kann und ob b) dieser Prozess in einigen Regionen (z.B. in Teilen Lateinamerikas oder Südeuropas) nicht bereits vor der Globalisierung eingesetzt hat.
In seinem zweiten Beitrag versucht sich C. Parnreiter – definitorisch und charakterisierend – an den Megastädten der Dritten Welt. Seine abschließende Erkenntnis, dass die Probleme der bzw. in den Megastädten, z.B. auch Armut, sich nicht aus deren Größe, sondern „aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen und damit verbundenen politischen Handlungsweisen“ ergeben (S. 97) birgt jedoch nichts Neues, ist vielmehr eine Binsenweisheit. Nur mit dieser, etwas verkürzten Sicht- und Interpretationsweise wird man der Dynamik der Megastädte als „mayor global risk areas“ nicht gerecht mit ihrem ständig zunehmenden physisch-ökologischen wie sozioökonomischen und politischen (governance!) Vulnerabilitätspotenzial.

Günter Mertins




Holm, Andrej; Lederer, Klaus und Naumann, Matthias (Hg.): Linke Metropolenkritik. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel Berlin. 193 S., 2 Abb. und 3 Tab. Raumproduktionen: Theorie und gesellschaftliche Praxis 12. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2011, € 19,90

„Rot-rot war gut für ein Jahrzehnt“, kommentierte die Zeit anlässlich der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18.9.2011, als die bis dato regierende Koalition abgewählt wurde. Noch vor diesem Datum wurde der hier rezensierte Sammelband konzipiert und 2011 herausgegeben. Die Beiträge gehen auf Veranstaltungen des 2007 ins Leben gerufenen Arbeitskreises „Linke Metropolenpolitik“ zurück, der dazu beitragen sollte, die relativ abgeschotteten Sphären der Partei „DIE LINKE“, der sozialen Bewegungen und der kritischen Wissenschaften besser zu vernetzen. Wie schwierig ein derartiges Unterfangen jedoch ist, zeigt allein der Umstand, dass einige soziale Bewegungen bereits früh aus dem AK ausscherten, weil er u.a. von der Fraktion der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus und der Rosa-Luxemburg-Stiftung gesponsert wurde. Die Herausgeber wollen den Sammelband dementsprechend auch weniger als Dokumentation einer kohärenten Zusammenarbeit, sondern als eine politische „Spurensuche“ verstanden wissen. Dabei ist es grundsätzlich sehr zu begrüßen, Stadtentwicklungspolitik nicht nur aus einer akademischen Perspektive zu betrachten, sondern das Handeln politischer Akteure konkret unter die Lupe zu nehmen – auch unter Einbeziehung dieser Akteure selbst. Dies ist im Buch verwirklicht: Fünf der zwölf beitragenden Autorinnen und Autoren sind oder waren direkt in den (linken) Berliner Politikbetrieb auf Landes- oder Bezirksebene eingebunden, die anderen würde man eher dem (linken) wissenschaftlichen oder publizistischen Spektrum zurechnen.
In der Einleitung nennen die Herausgeber die drei Ziele, die sie mit diesem mutigen Publikationsprojekt verbinden: Erstens sollen die allgemeinen heutigen Rahmenbedingungen für Stadtentwicklungspolitik skizziert und darin die Berliner Situation sowie die Rolle der „LINKEN“ eingeordnet werden. Zweitens möchte man die Situation und Rolle der Partei DIE LINKE in Berlin bezogen auf verschiedene stadtpolitische Themenfelder diskutieren. Drittens sollen verschiedene Entwicklungs- und Diskurslinien verknüpft und eine Ausgangsbasis für „linke Metropolenpolitik“ formuliert werden (wobei man sich während der Lektüre doch immer wieder fragt, worin der Unterschied zwischen „Metropolen“- und „Stadt“-Politik bestehen könnte).
Der erste, allgemeinere Teil des Bandes beginnt mit einem gelungenen Überblicksartikel von D. Mullis über die neoliberalen Stadt und deren Spielräume für einen sozialen Wandel „von unten“. Während der anschließende Beitrag von P. Birke Anknüpfungspunkte für soziale Bewegungen z.B. über den „Recht auf Stadt“-Diskurs herausarbeitet, plädiert M. Nelken – ungeachtet der schwierigen kommunalpolitischen Praxis – generell für eine „Aufklärung und Ermächtigung der Bürger“ als das zentrale Prinzip „linker Politik“. In einem lesenswerten Abriss der Ereignisse und wesentlichen stadtentwicklungspolitischen Entscheidungen in Berlin seit 1990 betont K. Lompscher den stets schwierigen Spagat der PDS/LINKEN in der Regierungsverantwortung. Als Abschluss folgt im ersten Teil des Bandes eine Aufarbeitung der sozioökonomischen Faktenlage von K. Brake und M. Mundelius, die deutlich machen, dass sich die Berliner Wirtschaft zwar teilweise (vor allem im kulturwirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich) konsolidiert habe, sich dies jedoch nach wie vor zu wenig auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar mache.
Im zweiten Buchteil, der sich verschiedenen Politikfeldern in Berlin und deren Interdependenzen mit linker Stadtpolitik widmet, zieht A. Holm zunächst eine differenzierte, kritische Bilanz der rot-roten Wohnungspolitik in Berlin und konzentriert sich dabei auf kommunale Wohnungsunternehmen (bzw. deren Privatisierung), den Sozialwohnungsbestand (bzw. dessen Abschmelzen) sowie auf die Regelungen zu den Kosten der Unterkunft nach SGB II, die trotz kulanter Ausführungsvorschriften zu verstärkter Segregation führen. I. Bader nimmt sich darüber hinaus der vorher bereits aus wirtschaftsgeographischer Sicht skizzierten Potenziale Berlins als „kreative Stadt“ oder „Global Media City“ an, setzt diese in einen Zusammenhang mit den Subkulturen der Stadt und entdeckt hier zentrale Widersprüche der Stadtpolitik (u.a. am Beispiel der Club- und Musikkultur sowie der „Mediaspree“-Planungen). Im darauffolgenden Beitrag beschäftigen sich K. Lederer und M. Naumann kenntnisreich mit öffentlichen Unternehmen, deren Verkauf bzw. Rekommunalisierung und ziehen als Beispiel den Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben und damit zusammenhängende Rollenkonflikte der LINKEN heran. M. Krückels blickt danach auf ein Jahrzehnt der „Integration“ in Berlin zurück und schließt mit einem radikaldemokratischen Plädoyer für eine allumfassende, diversitäre Integrationspolitik. Der letzte, engagierte Fachbeitrag kommt von B.-I. Hoff, der sich mit der Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus und Krankenversicherung und deren Marginalisierung befasst und kommunale Handlungsspielräume skizziert.
In ihrem Fazit, einem Ausblick mit Aufforderungscharakter und nicht ohne eine kritische Würdigung der rot-roten Regierungsjahre in Berlin, fassen die Herausgeber die verschiedenen, sichtbar gewordenen Kontexte und Skalierungen (von lokal bis global) zusammen und loten – stets unter Bezug auf die Beiträge im Band – linke politische Handlungsspielräume aus. Drei grundsätzliche Perspektiven für „linke Metropolenpolitik“ werden abgeleitet: ein konsequenter Protagonismus der Ausgegrenzten, die Verfolgung eines gesamtstädtischen Anspruchs (u.a. auf der Basis einer stabilen Quartiersentwicklung) sowie eine Stärkung des öffentlichen Sektors zu Ungunsten der „unternehmerischen“ Stadt.
Dass wichtige stadtpolitische Themenfelder im Band nicht vertreten sind (z.B. Bildungspolitik), wird zwar explizit seitens der Herausgeber betont. Dies wirft aber dennoch die Frage auf, ob hier ggf. noch andere Autorinnen oder Autoren außerhalb des AK-Umfelds hätten gewonnen werden können, um das Spektrum der Beiträge zu komplettieren. Positiv hervorzuheben ist der weitgehend durchgängige Versuch – trotz existenter und nachvollziehbarer Interessenlagen und politischer Zuneigungen – „linke Metropolenpolitik“ tatsächlich (selbst-)kritisch zu durchleuchten. So werden z.B. immer wieder die schier unauflösbaren Widersprüche und Dilemmata zwischen sozialen Bewegungen und linker Partei- und „Real“-Politik herausgearbeitet. Zwar bleibt die Kritik politischer Gegner weitgehend ausgeblendet und auch eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit weiteren, sich dem „linken“ Spektrum zuordnenden Parteien bleibt aus – jedoch war dies auch nicht der in der Einleitung klar formulierte Zweck des Bandes. In einem weiteren Schritt wäre es jedoch wichtig, die Diskussion im erweiterten politischen Spektrum fortzuführen und auch politisch konträre Positionen wertfrei auf Aspekte „sozialer Gerechtigkeit“ in der Stadtpolitik zu überprüfen.
Insgesamt dokumentiert das Buch die komplexen Diskurse im Kontext linker Stadtpolitik am Beispiel Berlins – nicht mehr und nicht weniger. Wer durchgängig homogene, „wissenschaftliche“ Abhandlungen erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Für diejenigen allerdings, die das fortwährende Ringen um „gute“, sozial gerechte Stadtpolitik als eine Melange aus wissenschaftlicher, politischer und aktivistischer Auseinandersetzung verstehen, stellt dieser Band eine lohnende Lektüre dar.

Olaf Schnur




Schmitt, Thomas M.: Cultural Governance. Zur Kulturgeographie des UNESCO-Welterberegimes. 452 S., 60 Abb. und 17 Tab. Erdkundliches Wissen 149. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011, € 58,-

Im Kontext der aktuellen Diskussion in den Sozial- und Kulturwissenschaften um die Rolle von kulturellem Erbe siedelt Schmitt seine Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Politischer Geographie und Sozialgeographie an. Die Studie nähert sich der Welterbegovernanz aus verschiedenen Blickwinkeln auf der Grundlage eines multilokalen Forschungsansatzes und unter Verwendung qualitativer Methoden. Zwar sind Studien zum UNESCO-Welterbe etablierte Forschungsthemen, dennoch sind insbesondere auf Feldforschung beruhende und auf lokaler Ebene ansetzende empirische Fallstudien selten. Das gilt insbesondere für die Arabische Welt, auf die sich die Arbeit bezieht. Es ist daher kein geringes Verdienst von Schmitt, sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt zu haben.
Die Publikation beruht auf einer 2009 in Bonn abgeschlossenen Habilitationsschrift. Ziel der Arbeit ist es, anhand der Beobachtung zweier Sitzungen des UNESCO-Welterbekomitees sowie zweier lokaler Fallstudien, die in Algerien und Marokko verortet sind, die komplexen Zusammenhänge zwischen der global-lokalen Governanz des UNESCO-Welterbes im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure zu untersuchen.
Das Buch gliedert sich in neun Kapitel, wobei das erste Kapitel der Erarbeitung der spezifischen Forschungsfragen dient und das zweite die konzeptionellen, theoretischen sowie analytischen Grundlagen der Studie präsentiert. Eine Auseinandersetzung mit Schlüsselbegriffen wie „außergewöhnlicher universaler Wert“ und Schlüsselinstrumenten wie die „Liste des Welterbes in Gefahr“ der Welterbekonvention aus kulturwissenschaftlicher Sicht schließt sich in Kapitel 3 an. Der Darstellung der Untersuchungsmethodik ist Kapitel 4 gewidmet. Um Aussagen über Entscheidungsabläufe und Prozesse der globalen Ebene der Welterbegovernanz machen zu können, wurden zwei einwöchige Sitzungen des UNESCO-Welterbekomitees in Vilnius (2006) und Christchurch (2007) beobachtet und durch formelle und informelle Gespräche ergänzt. Darüber hinaus wurden zwei Forschungsaufenthalte am Sitz der UNESCO in Paris in den Jahren 2004 und 2007 durchgeführt. Die dort gesammelten Archivquellen und UNESCO-Dokumente ergänzen die persönlichen Beobachtungen der Sitzungen des UNESCO-Welterbekomitees. Die Untersuchung der Governanz an den beiden oben erwähnten Welterbestätten erfolgte mittels qualitativer Interviews, teilnehmenden Beobachtungen, Geländebegehungen sowie Dokumentenanalysen. Die Analyse der Governanz des UNESCO-Weltkulturerbes im Zusammenspiel von globalen, nationalen und lokalen Akteuren unterliegt damit einer explorativen, qualitativen Herangehensweise, die vor allem einem ethnographischen Forschungszugang verhaftet ist. Die damit generierten Daten werden in Kapitel 5 (Globale Ebene der Welterbegovernanz), Kapitel 6 (Nationale Ebene der Welterbegovernanz am Beispiel von Algerien und Marokko), Kapitel 7 (Lokale Ebene der Welterbegovernanz am Beispiel des Tal des M’Zab, Algerien) und Kapitel 8 (Lokale Ebene der Welterbegovernanz am Beispiel des Immateriellen Erbes des Platzes Jemma el Fna in Marrakech, Marokko) zusammengeführt und interpretiert. In Kapitel 9 fasst der Autor die wichtigsten Ergebnisse der Studie noch einmal zusammen. Insgesamt stellt Schmitt heraus, dass durch die Unterschutzstellung im Sinne der Welterbekonvention und der damit generierten internationalen Aufmerksamkeit der Denkmal- und Naturschutz an den untersuchten Welterbestätten tendenziell gestärkt wird. Die UNESCO übt sowohl einen diskursiven als auch institutionellen Einfluss auf die Welterbestätten aus. Der diskursive Einfluss der UNESCO und damit die Akzeptanz der Ziele der UNESCO durch lokale und nationale Akteure erweist sich für den Schutz der Stätten als ebenso wichtig wie direkte Interventionen oder Entscheidungen der UNESCO-Gremien bezüglich der jeweiligen Stätten. Aus den beschriebenen Erfahrungen ergibt sich für den Autor, dass das Welterberegime als Vorbild für eine Weiterentwicklung globaler Governanz dienen kann. Globaler Austausch, Weltgesellschaft und globales Engagement lassen sich nicht nur auf ökonomische Fragen der Steuerung von Waren- und Finanzströmen reduzieren. Insgesamt öffnet Schmitt den Blick für den Mehr-Wert weltgesellschaftlicher Integration sowie für Sinn und Bedeutung von Weltgesellschaft. Damit verbunden ist der Anspruch der Arbeit, eine umfassende Analyse des UNESCO-Welterberegimes durchzuführen – wie es bereits im Titel der Untersuchung zum Ausdruck kommt. Die qualitative Auswertung von zwei Sitzungen des UNESCO-Welterbekomitees bietet hierfür letztlich aber zu wenig Substanz. Es wäre daher durchaus überlegenswert gewesen, sich auf die Rolle der Maghreb-Staaten innerhalb der UNESCO und insbesondere innerhalb der Welterbegovernanz zu beschränken. Eine Untersuchung der ebenenübergreifenden Governanz des UNESCO-Welterbes am Beispiel des Maghreb hätte die Möglichkeit eröffnet, stärker auf Besonderheiten der staatlichen Verfasstheit und der Ökonomie dieser Länder sowie der arabischen Gesellschaft und Kultur zu fokussieren und der daraus resultierenden Auseinandersetzung mit Weltkulturerbe.
Bedauerlich ist die Beschränkung der Studie auf qualitative Methoden. Der Autor vergibt sich mit dem verwendeten Methodenrepertoire, das im Wesentlichen aus qualitativen Interviews und Beobachtungen beruht, der Möglichkeit, die Datengrundlage auf eine breitere Basis zu stellen. Kritisch anzumerken ist zudem, dass der Autor insgesamt kaum Angaben über Stichprobengrößen, zur Auswahl der Gesprächspartner oder zur Auswertung der auf qualitativer Basis gewonnen Daten macht. Exemplarisch soll hier die Untersuchung der Wahrnehmung der Welterbeauszeichnung und der UNESCO im Tal des M’Zab in Kapitel 7 angeführt werden. Dem Leser wird zwar mitgeteilt, dass der Autor Gespräche mit Mozabiten, Nicht-Mozabiten, „einfachen“ Bürgern und mit ortsansässigen Notablen geführt hat. Es ist allerdings nirgendwo zu erfahren, wie viele Menschen befragt oder wie die Daten ausgewertet worden sind, auf dem dieses Kapitel beruht. Schmitt stellt zwei konträre Meinungen heraus, die er dann in einer Matrix (S.309) anordnet, an welcher sich seiner Meinung nach die möglichen Kombinationen von Haltungen verdeutlichen lassen. 
Nicht überzeugen kann auch die persönliche Auseinandersetzung mit einem Journalisten der Wochenzeitung Die Zeit in Kapitel 6.1. Eine „verspätete Leserkritik“ (S.219f.) mit persönlichen Wertungen deckt nicht das Meinungsspektrum in der Presse ab. Zudem sind einige handwerkliche Fehler zu monieren. So beruht etwa die Karte „Gegenwärtige Siedlungsstruktur im Tal des M’Zab“ (Abb. 31) auf der Auswertung von Satellitenbildern sowie von Plankarten und historischen Kartenskizzen. Es fehlen aber sowohl die Hinweise auf die verwendeten Satellitenbilder (Datum der Aufnahmen, Form der Darstellung) als auch die Quellenangaben zu den verwendeten historischen Karten. Ebenso fehlt in den Abbildungen 16 sowie 48 der jeweilige Hinweis auf Kartengrundlage und Quelle.
Insgesamt wäre es nach Auffassung der Rezensentin sinnvoll gewesen, die Vielfalt der Einzelthemen und Detailinformationen zu straffen, um dem Buch eine konsistentere innere Struktur zu geben. Es wird dem Leser nicht gerade einfach gemacht, sich durch die Fülle von theoretischen Ansätzen zu kämpfen, sich in der Flut von zentralen Fragestellungen zurechtzufinden oder die Kernaussagen der Studie zu erfassen. Dennoch handelt es sich bei der von Schmitt vorgelegten Publikation um eine wichtige und gerade in den Fallstudien zu Algerien und Marokko um eine gut recherchierte Arbeit mit interessanten Ansätzen auch für weitere Forschungen. Die Arbeit eröffnet insbesondere durch die Untersuchung der ebenenübergreifenden Governanz des UNESCO-Welterbes einen neuen Blick auf die Welterbegovernanz.

Jacqueline Passon




Müller, Annemarie: Areas at Risk – Concept and Methods for Urban Flood Risk Assessment. A Case Study of Santiago de Chile. 265 pp., 75 figs. and 43 tabs. Megacities and Global Change 3. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012, € 46.-

Megacity research has gained remarkable momentum in German geography – and, of course, in a number of related and relevant disciplines. Urbanisation is a global phenomenon, and it will increase in the years to come. Urbanisation of the global society is irreversible, yet it offers opportunities in ecological, economic and social terms. However, it is a double-headed phenomenon: Ecological disasters and catastrophes, economic dichotomies between cities, their semi-urban hinterlands and rural areas as well as social unrest and upheavals are the other side of the coin!
Among the three major programmes of German megacity research (i.e., that of the Federal Ministry of Education and Research on “Megacities of Tomorrow”/“Future Megacities”, that of the German Research foundation DFG on “Megacities – Megachallenge: Informal Dynamics of Global Change” and that of the Helmholtz Centre for Environmental Research UFZ on “Risk Habitat Megacity”) this study by Annemarie Müller is one of the outcomes of the programme mentioned last. UFZ’s focus has been on the comprehensive analysis of one specific case study: Santiago de Chile. Designed as a both transdisciplinary and bilateral project between Germany and Chile, its in-depth analysis of the development of the mega-urban region of Chile’s capital in a highly vulnerable physical environment and as the undisputed centre of economically induced migration and resulting urban sprawl is at the bottom of this programme.
The dichotomy between a highly vulnerable ecology and an equally endangered society marks the onset of this study with its distinct focus on hydrological aspects. Thus, it is not surprising that flood risk analyses and assessment methodologies are at the basis of this highly commendable research approach. Nor is it surprising that only one out of altogether 11 chapters of this dissertation deals with a short “Description of the study area” (Chapter 4), while the remaining ones deal more or less explicitly with theoretical and methodological discussions and conceptualizations of urban flood risk assessments.
Chapter 5 is devoted to the development of a specific indicator set for Santiago de Chile, arguing that both indicators (quantifiable) and variables (mostly descriptive) have to be streamlined in order to make them usable within risk research. The following two chapters focus on data bases: Statistical data and GIS data – comparatively well-kept and detailed in Chile’s capital region! – have to go hand in hand with empirical fieldwork data, covering both expert opinions and household surveys. Although the household survey may be considered rather limited (82 households in two municipalities) and also the results of a specific vulnerability analysis may be rather sobering, remote sensing data offer remarkable and well-documented assessment potentials and are extensively discussed. Chapters 8 (Hydrologic modelling) and 9 (Flood risk analysis and assessment) are those central parts of this study in which a hazard analysis based on a precipitation-runoff model, and analyses of the individual elements of risks are juxtaposed and critically evaluated. It goes almost without saying that the socially relevant outcomes of these evaluations are somewhat limited, given the fact that the regional and household samples are very small and may not be relevant for other parts of the urbanized area of Santiago de Chile and its immediate fringe areas. Nevertheless, the author’s attempt to pursue a holistic-integrative approach becomes more than apparent in her permanent endeavour to cover both nature and society as an undividable whole in causes and effects of urban flood events (see e.g., Fig. 16 and 31!). Yet, the question remains if and to what extents the results of this study are transferable to other cities of Chile and/or Latin America. Fact is that it is a valuable case study for the urban area of Santiago as such. Besides, however, it is also a fact that the methodologies employed may serve as entry for future studies on urban flood risk assessments.
The study by A. Müller is amply furnished with relevant materials, underlining the detailed and clearly structured text and its two appendices. 75 figures and more than 40 tables support the well-written text and must be seen as indispensable parts of the scientific argumentation. This holds especially true for the almost 40 coloured maps, diagrams and satellite images, mostly concentrating on the two regional case studies. A comprehensive bibliography provides additional food for thought – and for further reading. Altogether: A valuable example of German megacity research!

Eckart Ehlers

 

 

 

Kiese, Matthias: Regionale Clusterpolitik in Deutschland. Bestandsaufnahme und interregionaler Vergleich im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. 451 S., 17 Abb. und 40 Tab. Metropolis-Verlag, Marburg 2012, € 38,-

Bei dem Buch handelt es sich um die gründlich aktualisierte Fassung der Habilitationsschrift des Autors aus dem Jahr 2008. Es ist sicherlich ein Verdienst von Matthias Kiese, dass die Clusterpolitik in den Fokus wirtschaftsgeographischer Forschungen gelangt ist. Die umfangreiche Clusterliteratur konzentrierte sich lange Zeit auf die Erklärung und die potenziellen Wirkungen von Clustern. Die Umsetzung des Clusterkonzepts in Politik und Praxis wurde von wenigen Ausnahmen abgesehen wissenschaftlich hingegen kaum bearbeitet. Dieses Defizit wollte der Autor mit seiner umfangreichen Habilitationsschrift schließen.
Der Forschungsstand zum Themenfeld Cluster wird nach dem etablierten Dreiklang der Hannoveraner Schule zur Wirtschaftsgeographie untergliedert nach Clustertheorie, empirischer Clusterforschung und Clusterpolitik aufgearbeitet. Der Autor zeigt sich als sehr belesener Kenner der Clusterliteratur. Entsprechend gut gelungen ist der Überblick zum Stand der regionalen Clusterforschung. Einen zusätzlichen Impuls erhält die wirtschaftsgeographische Forschung durch die daran anschließende Einbindung politikwissenschaftlicher Perspektiven aus dem Bereich der Neuen Politischen Ökonomie. Es wird das Spannungsfeld der eingeschränkten Handlungsräume und der vorherrschenden Rationalitäten politischer Akteure aufgezeigt, welche für die Entwicklung und Diffusion regionaler Clusterpolitiken zu beachten sind. Der theoretisch-konzeptionelle Teil der Arbeit mündet in einem stringent ausgearbeiteten Analyseraster für die empirischen Untersuchungen, auf den im weiteren Verlauf stets zurückgegriffen wird.
Den Kern des empirischen Teils bilden 145 Interviews mit Beratern, Praktikern (z.B. Akteure in Ministerien, Wirtschaftsförderer oder Clustermanager) und Beobachtern (v.a. Wissenschaftler an Hochschulen, die sich mit der Thematik befassen). Auf dieser umfangreichen Grundlage werden die übergeordnete Clusterpolitik von EU, Bund und Ländern dargelegt und in den drei ausgewählten Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sieben Fallbeispiele regionaler Clusterpolitik aufgearbeitet. Dieser Abschnitt fällt mit rund 175 Seiten insgesamt zu lang aus. Die Darstellung der Clusterpolitik in Bayern und Nordrhein-Westfalen erfolgt sehr gründlich. Da Niedersachsen keine explizite Clusterpolitik betreibt, wird die wirtschaftsräumliche Strukturpolitik der dortigen Landesregierung vergleichsweise knapp aufbereitet. Die regionale Clusterpolitik in den sieben Untersuchungsräumen wird ebenfalls jede für sich in ihrer individuellen Einzigartigkeit umfassend geschildert. Auf der einen Seite erhält der Leser dadurch vertiefte Einblicke in die bisherigen Aktivitäten des dortmund-projects, des Bergischen Städtedreiecks (kompetenzhoch3), der Wirtschaftregion Nürnberg, der Stadt Regensburg, des Hannover-Projekts (hannoverimpuls), des Projekts Region Braunschweig sowie von Autovision und der Wolfsburg AG. Andererseits führt die sehr ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Einheiten (einzelne Städte wie Dortmund und Hannover stehen größeren Regionen wie dem Bergischen Städtedreieck oder der Region Braunschweig gegenüber) mit ihren heterogenen Ansätzen und Aktivitäten dazu, dass der Blick auf die zentralen differenzierenden Faktoren regionaler Clusterpolitik beim Lesen aus dem Blick gerät. Dies wird zum Ende hin jedoch aufgefangen, indem eine Querschnittauswertung der regionalen Fallbeispiele anhand des zuvor entwickelten Analyserahmens vorgenommen wird. Hier kann gezeigt werden, dass die zuvor theoretisch entwickelten Kategorien geeignet sind, die Vielfalt existierender regionaler Clusterpolitiken zu erfassen. Dabei laufen jedoch insbesondere die sieben Dimensionen der Clusterpolitik Gefahr, dass es für nahezu jede reale Ausprägung von Clusterpolitik eine eigene Zuordnungsmöglichkeit innerhalb der sieben Dimensionsausprägungen gibt.
In den Schlussfolgerungen werden die gesammelten Erkenntnisse in zehn stylised facts verdichtet. Auch wenn diese zehn stilisierten Fakten nicht mehr stringent an den konzeptionellen Rahmen angebunden sind, so hat sich für mich gerade aus dieser generalisierenden Draufsicht ein besonders großer Erkenntnisgewinn ergeben, da der Autor sein gesammeltes Erfahrungswissen präsentiert. Die reichhaltigen Ergebnisse, die in den Schlussfolgerungen prominent herausgestellt werden, führen die Arbeit zu einem gelungenen Abschluss.

Ivo Mossig




Wiese, Bernd: WeltAnsichten. Illustrationen von Forschungsreisen deutscher Geographen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Graphik, Malerei, Photographie. Die Wirklichkeit der Illustration? 292 S., 156 Abb., davon 46 farb. und 47 hist. Photogr. und 12 farb. Karten. Schriften der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 21. Köln 2011, € 39,-

Mit diesem Werk stellt der Autor die berühmtesten deutschen Forschungsreisenden im Kontext ihrer jeweiligen Epochen ebenso vor, wie die von ihnen außerhalb des europäischen Kontinents in Süd- und Zentralamerika, in Asien und schließlich in Afrika gemachten Entdeckungen. Der Autor liefert einen sorgfältig recherchierten Überblick der jeweiligen historischen Kontexte, in denen die Forschungsreisen erfolgt sind. Dabei wird der Blick sowohl auf die Ebene der Herkunftsländer der Forscher, als auch auf die Ebene der Verhältnisse in den besuchten Regionen gerichtet. An den Anfang des Werkes stellt der Autor die jeweiligen Reisevorbereitungen, d.h. die unterschiedlichen Finanzierungen, die einzelnen Planungsschritte u.a. genauso dar, wie die Feldforschungsmethoden der Malerei und der Zeichnung.
In der Einführung skizziert Bernd Wiese die grundlegenden Beziehungen zwischen historischer Geographie und bildhaften Darstellungen. Dabei geht der Autor insbesondere auf die Rolle bildlicher Darstellungen als Quelle von Erkenntnissen der historischen Geographie ein. Desweiteren werden die historischen und vor allem wissenschaftlichen Motivationen herausgestellt, die Forscher wie Alexander von Humboldt, Alphons Stübel und Wilhem Reiss zu ihren Forschungen in Amerika inspiriert haben. Es wird insbesondere auf die Ideologie des Imperialismus eingegangen, die große Unternehmen dazu anspornte, entsprechende Forschungsprojekte zu finanzieren und folglich Forscher in die ganze Welt zu schicken. In diesem Zusammenhang wird auf jene Forschungsmethoden verwiesen, die in erster Linie auf topographische Vermessungen abzielten.
Der historisch versierte Autor hebt die Tatsache hervor, dass entsprechende Forschungsreisen nicht nur auf den Erwerb geographischer Kenntnisse, sondern auch auf die Prüfung bzw. Untersuchung der Handels- und Wirtschaftsmöglichkeiten in den bereisten Regionen abzielte.
Das Werk liefert dem Leser eine detaillierte Beschreibung der von Alexander von Humboldt in Amerika ausgeführten Reise, der von ihm gewählten Wege, seiner Seereise und der im Laufe seiner Reise erstellten Landkarten. Das Werk liefert insbesondere einen detaillierten Kommentar der verschiedenen Landkarten. Die bedeutendsten davon sind die Ansichten der Kordilleren. Die wissenschaftliche Versiertheit von Alexander von Humboldt wird vom Autor glanzvoll dargelegt, wodurch die verschiedenen Darstellungen der beschriebenen Monumente ebenso wie die der besuchten Orte aufgewertet werden. Diese Darstellungen beziehen sich auf die Reisestrecke des Forschungsreisenden. Besonders auffällig ist die Tatsache, dass die Kommentare von Humboldt treffend kommentiert werden. Weiterhin werden die Beziehungen bzw. Verbindungen von Humboldt zu den besuchten Völkern und seiner Forschungsgruppe dargestellt. Diesbezüglich werden insbesondere der Humanismus und die Visionen Humboldts beleuchtet und verdeutlicht.
Die zeitgeschichtlichen Illustrationen bzw. Abbildungen werden aus mehreren Perspektiven und unter Berücksichtigung verschiedener Meisterwerke vorgestellt. Dies ist z.B. der Fall bei der Ansicht des Gipfelbereiches des Cotopaxi, welcher von Humboldt im Jahre 1802 dargestellt wird. Diese Ansicht wurde später von Arnold abermals thematisiert, wobei dieser Künstler sich insbesondere von dem Gemälde von Gmelin aus dem Jahre 1811 inspirieren ließ. Das Nebeneinanderstellen unterschiedlicher Landschaftselemente erlaubt dem Leser, verschiedene Perspektiven auf denselben Gegenstand einzunehmen und damit die Entwicklung der Visionen der Forscher im Laufe der Zeit nachzuvollziehen. Weiterhin werden die Entwicklung der Bild- bzw. Abbildungstechniken, die Methoden der Gemäldedarstellungen sowie das Streben der Forscher nach einer möglichst realitätsnahen Darstellungsweise betont.
Die Entdeckungen von Alphons Stübel in denselben Regionen Lateinamerikas lassen dieselbe Vision hervortreten und beleuchten gleichzeitig die Schwierigkeiten, die sich aus einer Landschaftsbeschreibung mit Akzenten auf Vulkanologie und Geomorphologie ergeben. Obschon einige beschriebene Orte wie das Cotopaxi unverändert bleiben, scheinen die post-humboldtschen Beschreibungsmethoden detaillierter zu sein. Dies ergibt sich zweifelsohne aus dem Innovationsstreben der Forscher, welches insbesondere den Schwerpunkt auf eine gründliche topographische Studie der darzustellenden Räume legt und zudem die erstellten Karten mit einer umfassenden Beschreibung aufwertet. Dadurch, dass auch die Verschiedenartigkeit in der Malerei zur Geltung gebracht wird, zeigt der Autor dem Leser nicht nur die Entwicklung der Darstellungsmethoden, sondern auch die Wichtigkeit der farbigen Darstellung in der Wahrnehmung einer natürlichen Realität. Die Arbeiten von Reiss und Stübel erlaubten, Fotografien als wichtige Dokumente in historische und geographische Forschungen einzuführen und damit die Debatte über die Zuverlässigkeit von Gemälden und Fotographien anzustoßen.
Die in Asien ausgeführten Arbeiten kennzeichnen die Vorteile einer engagierten und interdisziplinären wissenschaftlichen Zusammenarbeit der verschiedenen Zweige der Geographie. Diese Arbeiten legen die Ergebnisse der von den Brüdern Schlagintweit, Ferdinand von Richthofen und Emil Trinkler auf den Spuren von Humboldt ausgeführten Forschungen dar. Die Ersteren haben sich damit befasst, nicht nur den Weg nach Indien, sondern auch Regionen, Landschaften und Siedlungen in Assam, im Himalaya (insbesondere Ost- und Zentral Himalaya), in Pakistan, in Nepal und West-Tibet durch Aquarelle und Zeichnungen zu beschreiben. Ferdinand von Richthofen hat insofern eine sehr innovative Arbeit durchgeführt, als dass er der allererste Geograph gewesen ist, der im 19. Jahrhundert eine bildhafte Darstellung von Ost- und Südchina vorlegte. Insbesondere seine Beschreibung der geologischen und geomorphologischen Strukturen der untersuchten Gebiete, wie diejenigen der Berge, Gewässer und Höhlen werden eindrücklich dargestellt. Weiterhin wird auf seine Beschreibungen zur Lebensweise der Bewohner sowie der natürlichen Schönheit und der touristischen Sehenswürdigkeiten der Landschaft dargeboten. Emil Trinkler, der von Walter Bosshard, einem professionellen Fotografen, sowie von dem Geographen Terra begleitet wurde, hat eine Forschungsreise in Zentralasien durchgeführt und im Zuge dessen Porträts von Landschaften als auch von Menschen erarbeitet. Diese Porträts beschreiben auf der Basis von Aquarellen und Fotografien die verschiedenen Phasen der Expeditionen in die Regionen von Leh (Kashmir, Ladakh), Karakorum, Kunlun shan und  Takla makan.
Der dritte Teil des Werkes widmet sich den im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Afrika durchgeführten Forschungsreisen von Heinrich Barth, Hans Meyer und dem Ehepaar Thorbecke. Die Arbeiten von Barth werden am Beispiel von Lithographien und ausgeführten Zeichnungen aus den besuchten Regionen Murzuk, Timbuktou und Fumban vorgestellt. Diese thematisieren die einheimische Bevölkerung, Siedlungsstrukturen sowie menschliche Aktivitäten und Landschaften. Der Autor analysiert Abbildungen, die in dem Reisebericht von Barth erscheinen und zeigt damit die enge Verbindung zwischen Barth und Humboldt auf. Barths anthropogeographisch sowie ethnologisch ausgerichteten Forschungsaktivitäten markieren den Einfluss seiner Ausbildung auf die von ihm produzierten Raum- und Menschenbilder. Die von Barth während seiner Reise ausgeführten Zeichnungen und graphischen Darstellungen markieren einen deutlichen Gegenpol zu denjenigen seiner Vorgänger, die in anderen Kontinenten gearbeitet haben. Dieser deutlich wahrnehmbare Unterschied wird aber in den Ausführungen des Autors nur unzureichend thematisiert. Im Gegensatz zu anderen in dem hier besprochenen Werk präsentierten Forschungsreisenden, werden lediglich am Beispiel weniger Illustrationen von Meyer entsprechende deskriptive und graphische Fähigkeiten bewertet. Der Autor präsentiert weiterhin interessante Bilder und Aquarelle, die vom Ehepaar Thorbecke gestaltet wurden.
In diesem Zusammenhang wird eine glanzvolle sozio-ethnologische Analyse des Bamun-Volkes vorgelegt. Diese Analyse wird mit Bildern untermauert, die den narrativen Gesichtspunkt des Autors widerspiegeln und dem Leser die hier beschriebenen Völker näherbringen.
Zum Schluss kann konstatiert werden, dass Wiese mit seinem Versuch der Darstellung von Kontinuitäten und Veränderungen in der Praxis bildhafter Darstellungen sowie der Funktionsanalyse entsprechender Abbildungen in den Werken deutscher Forschungsreisenden eine enzyklopädische Arbeit durchgeführt hat und damit die Beziehungen zwischen Kunst und Natur hervorhebt. Weiterhin werden die sich aus wissenschaftlicher Strenge ergebenden Herausforderungen sowie Aspekte des Strebens nach dem Schönen betont. Dadurch, dass Wiese Forscher mit ähnlichen Schwerpunkten einander gegenüber stellt, unterstreicht der Autor, dass die Poesie, das Ästhetische und die Wissenschaft durchaus miteinander verbunden sind. Die Raumdarstellung bzw. -produktion ist und bleibt eine menschliche Konstruktion, obwohl der entsprechende Konstruktionen produzierende Forscher danach strebt, seinem Publikum die Realität möglichst näher zu bringen. Das Werk ist sowohl inhaltlich als auch formal ansprechend verfasst. Die interdisziplinäre Ausrichtung verweist auf unterschiedliche Kenntnisbereiche, nämlich auf diejenigen der Geschichte, Ethnologie, Geographie, Bilddokumentationswissenschaften.

Désiré Tchigankong Noubissié



 

Davy, Benjamin: Land Policy. Planning and the Spatial Consequences of Property. XV und 276 pp., 29 figs. and 22 tabs. Ashgate, Farnham 2012, £ 65.

Veröffentlichungen von Benjamin Davy zu lesen ist ein immer aufs Neue überraschendes Erlebnis; so auch in diesem Fall. Davy ist der gleichsam allwissende Autor im Themenfeld der Bodenpolitik. Wer bislang noch geglaubt hatte, diese Thematik sei spröde und langweilig, der wird nach der Lektüre dieses Buches eines Besseren belehrt. Der Jurist Davy ist Inhaber des soweit ersichtlich einzigen Lehrstuhls für Bodenpolitik in Deutschland. Boden-“politik“ („Land“) thematisiert die Funktionen des Bodens für die Raumplanung als soziale Konstruktion, nicht als naturalistische Vorgabe oder Rechtsposition. Aus geographischer Sicht ist insbesondere seine Beschäftigung mit Thünen, den Rententheorien und der Entstehung von Bodenwerten in Bezug zum Eigentum von Belang. Bodenpolitik wird leider auch in den Geowissenschaften nach wie vor notorisch unterschätzt (vgl. aber E. Wirth 1979, S. 229). Was unterscheidet die Entwicklung der Riverside in Indien von der in Dortmund-Hörde? Der Autor zeigt, dass durch Souveränitätsrechte und Grundstückseigentum der Boden zum Territorium wird, durch die Verknüpfung mit Geld der Boden zur Immobilie mutiert und sich schließlich durch Biodiversität zur Naturressource wandeln kann. Inhaltlich präsentiert das Buch in acht Hauptkapiteln virtuos die Querverbindungen zwischen Bodenpolitik (Kap. 1 und 2), Mono- versus Polyrationalität (Kap. 3, 7 und 8), Grundstückswertermittlung (Kap. 4) sowie Eigentum und Planung (Kap. 5 und 6). Die Monographie knüpft damit nahtlos an das Buch „Essential Injustice“ desselben Autors aus dem Jahr 1997 an, nunmehr ergänzt u. a. um die „Monorationalität von Kondomen“ (S. 61) in Anlehnung an Georg Simmel, den Davy ebenso leidenschaftlich gerne zitiert wie – ausweislich des Literaturverzeichnisses – Mary Douglas nebst ihrer „cultural theory“. Quintessenz: Raumplaner sollten zumindest in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu Gunsten der auf Mary Douglas zurück gehenden Polyrationalität auf die Benutzung von Kondomen verzichten, um nicht einseitige Entscheidungen zu treffen (S. 59ff.). Ob diese Forderung die Planungspraxis wohl erreicht? Sehr realistisch ist dies im Kontext eines Kondoms m. E. nach nicht. Überdies verhilft schon das Kernstück der deutschen Bauleitplanung, nämlich die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB, dass bei der Aufstellung von Plänen nicht (allzu) einseitig vorgegangen wird.
Zentraler Satz der recht textlastigen Monographie ist die Feststellung: “Land uses are what land users do“. Man könnte aus Sicht des Leviathans modifiziert sagen: “... what land users are allowed to do“ (S. XII). Bodeneigentümer, Nutzer und Planer sind im Text übrigens – gendermäßig überkorrekt – durchgängig weiblichen Geschlechts. Davy treibt fraglos die Frage um, ob Raumplanung einfacher wäre, wenn es kein Bodeneigentum gäbe. Anders gewendet: Braucht Raumplanung das Eigentum? Zweifellos kann ein Mensch glücklich leben, ohne Boden-eigentümer sein zu müssen. Umgekehrt hat eine Eigentümerin, die über einen Bestand von 100.000 Wohnungen verfügt, sehr wohl auch Glück, Existenz und Schicksal ihrer Mieter zu einem ganz erheblichen Teil mit in der Hand. Angesprochen ist hier das Problem von Inklusion und Exklusion (S. 175ff.). Land ist eine weltweit ökonomisch stark umkämpfte Schlüsselressource. Dies kommt in zahlreichen aktuellen Fallbeispielen und Schlagworten wie etwa land grabbing (S. 171) zum Ausdruck. Über die Erfolgsaussichten armuts- und konfliktmindernder Bodenpolitiken gibt das Buch ebenso beredt Auskunft (S. 137ff.). Dass diese Erfolge weltweit betrachtet recht rar sind, hängt trotz viel versprechender Projektansätze beispielsweise in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit der unklaren Eigentums- und Nutzungssituation vieler Parzellen in Entwicklungs- und Schwellenländern, mit der auf Spekulation zurückzuführenden Art der Landnutzung sowie mit fehlenden Landinformationen wie Katastern und Grundbüchern zusammen (S. 182ff; Kap. 5 und 6).
Boden- und Eigentumspolitik darf sich nicht auf die Analyse der jeweiligen Bodenrechte dahingehend beschränken, ob diese einem Investor einen möglichst unbeschränkten Zugang zu Privateigentum an natürlichen Ressourcen und somit zur Abschöpfung der Bodenrente gewähren. Davy nennt dies die „myths of property“ (S. 15; Kap. 1). Privateigentum kann oftmals nicht ohne die Arrondierung von räumlichen Gemeinschaftsgütern funktionieren (S. 59ff.). Eines wird bei der vereinfachenden Frage nach dem Pro und Contra von Privat- oder Gemeineigentum einmal mehr deutlich: „One size does not fit all“ (S. 224). Ideale, vermeintlich universell gültige Lösungen für Gemeingüter und Bodenpolitiken verschlechtern die Sache eher, als dass sie sie nachhaltig voranbringen (dazu jüngst: Cole und Ostrom 2012). Zum „30-ha-Ziel“ führt der Autor auf S. 67f. zutreffend aus, dass wenn nicht erwartet werden kann, dass diese Zielerreichung mit Steigerungen des ökonomischen Grundstückswerts verbunden ist, im Regelfall kaum mit der Mitwirkungsbereitschaft der betroffenen Eigentümer wegen der vermuteten Entwertung ihrer Grundstücke gerechnet werden kann. Folgerung: Da das allgemeine und besondere Städtebaurecht bei der Planumsetzung indes maßgeblich auf Wertsteigerungen beruht, können die Planungsinstrumente zur Erreichung von gewollten Grundstücksnutzungen nur eingeschränkt beitragen, jedenfalls solange keine Kooperationen mit den betroffenen Grundstückseigentümern zu erreichen sind (Beispiel: Energiewende). Davy gelingt es deutlich zu machen, dass Bodenpolitik zunächst von Vorstellungen, Idealen und Grundsätzen des Gesetzgebers ausgeht. Idealtypische Umsetzungsmodelle von Bodenpolitik beruhen auf den Rationalitäten der Kontrolle, der Wettbewerbsfreiheit sowie der Gemeinschaft. Das Umsetzungsmodell der Gemeinschaft verbindet bspw. die territoriale und ökologische Wertschätzung des Bodens (vgl. Kap. 4) mit gemeinschaftlich organisierten sozial-ökologischen Nutzungen. Die Umsetzung etwa von Energie-, Naturschutz- und Bodenschutzzielen des Gesetzgebers könnte zugleich eine Renaissance der Commons im Sinne von Elinor Ostrom (S. 193ff.) bedeuten, indem durch Allmenden, land trusts oder Stiftungen die Mitglieder des Gemeinwesens Grundstücksnutzungen zur Steigerung des ökologischen Marktwerts initiieren (S. 78ff.).
Das Buch ist vorrangig eine theoretische Abhandlung zur internationalen Bodenpolitik. Es ist gewiss keine Handlungsanweisung für Implementer von Landreformen, etwa in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Publikation liefert keinerlei Leitfäden für das rechtliche Schicksal des Grund und Bodens. Davy verwendet stattdessen viel Mühe, Argumente und Belege darauf, warum beispielsweise Pläne, Einschränkungen oder Auflagen der Planungsträger zu Ungunsten der privaten Bodeneigentümer scheitern müssen; kurz: er zeigt primär das auf, was aus seiner Warte „nicht geht“. Damit ist Bodenreformern allerdings kaum gedient. Interessant ist auch, welcher Autor im Literaturverzeichnis nicht erwähnt wird. So fällt die fast gänzliche Außerachtlassung hiesiger Lehrstuhlinhaber auf, beispielsweise solche in Bonn, Gießen, Darmstadt oder München für Bodenordnung, Geographie, räumliche Planung und Landmanagement. Haben diese Wissenschaftler nichts Relevantes zum nationalen und internationalen Bodenpolitik- und Planungsdiskurs beizutragen, sodass eine Aufnahme in das Buch aus Sicht von Davy augenscheinlich nicht gerechtfertigt ist? Auch fallen zahlreiche Wiederholungen im Text auf. Das Buch hätte folgerichtig m. E. nach um mindestens 30–50 Seiten gekürzt werden können, ohne hierdurch an Aussagekraft zu verlieren. Index und Literaturverzeichnis indes sind umfassend, tief gehend und aktuell. Insgesamt ist das Werk als anspruchsvolle, theoretische Abhandlung einer soziologisch-juristisch-planerischen Sicht auf den Boden (auch) für Geographen sehr relevant.

Fabian Thiel

 

Literatur:

Cole, D. H. und Ostrom, E. (eds.) (2012): Property in land and other resources. Lincoln Institute of Land Policy. Cambridge, MA.

Thiel, F. (2011): „Property entails obligations“: land and property law in Germany. In: European-Asian Journal of Law and Governance 1, 78–94.

Wirth, E. (1979): Theoretische Geographie: Grundzüge einer Theoretischen Kulturgeographie. Stuttgart.




Vicenzotti, Vera: Der „Zwischenstadt“-Diskurs. Eine Analyse zwischen Wildnis, Kulturlandschaft und Stadt. 387 S., 17 Abb. und 5 Tab. Urban Studies. Transcript Verlag, Bielefeld 2011, € 35,80.

Vor inzwischen 17 Jahren hat Thomas Sieverts sein Buch zur Zwischenstadt veröffentlicht. Es erhielt seinerzeit erhebliche Beachtung und führte bei einem großen Teil der Planerszene zu einem Aufschrei der Entrüstung. Der Vorwurf, sich nur mit den Innenstädten zu beschäftigen und wichtige Entwicklungen am Stadtrand zu verschlafen, traf die Akteure, die damals über Stadtentwicklung in Deutschland entschieden, tief. Inzwischen hat sich die Debatte beruhigt, und es sind neue Themen auf der Tagesordnung. So bestimmen Prozesse wie die Reurbanisierung oder die Gentrifizierung, die Folgen des Klimawandels oder die demographischen Veränderungen die aktuelle Stadtentwicklungsdiskussion. Um die Zwischenstadt ist es leise geworden – trotz der einschneidenden Konsequenzen, die etwa die Energiewende oder die wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft für die Zwischenstadt mit sich bringen werden.
Dies ist ein guter Zeitpunkt, sich intensiver mit den Debatten über die Zwischenstadt zu beschäftigen und den wissenschaftlichen Fachdiskurs des Städtebaus und der Landschaftsarchitektur zu analysieren und zu systematisieren. Die Landschaftsarchitektin Vera Vicenzotti hat dies im Rahmen ihrer Dissertation, die sie am Lehrstuhl für Landschaftsökologie der Technischen Universität München verfasst hat, getan. Mit Hilfe einer Diskursanalyse klärt sie die verschiedenen „ideengeschichtlichen und weltanschaulichen Hintergründe“, die in den Auseinandersetzungen über die Zwischenstadt zu finden sind. Aus rein forschungspraktischen Gründen beschränkt sie sich bei ihrer Analyse auf die Texte, die im Rahmen des sogenannten „Ladenburger Kollegs“, einem Forschungskolleg zur Zwischenstadt, Anfang der 2000er Jahre entstanden sind.
Vicenzotti unterscheidet in einem ersten Schritt drei idealtypische Grundhaltungen gegenüber der Zwischenstadt: die „Gegner“, die „Euphoriker“ und die „Qualifizierer“. Für einen Leser, der die Zwischenstadt-Debatte der vergangenen Jahre verfolgt hat, ist es zunächst spannend, seine Kollegen oder auch sich selbst einem dieser drei Typen zuzuordnen. Hilfreich ist dabei, dass Vicenzotti diese drei Grundhaltungen jeweils über die vier Dimensionen der „Identität“, der „Geschichte“, der „Ganzheit, Fragmentierung, Heterogenität“ sowie der „Urbanität“ beschreibt. Anschließend verbindet sie die „Gegner“, „Euphoriker“ und „Qualifizierer“ mit drei idealtypischen Lesarten, also mit „Perspektiven, die Bewertungen implizieren“. Aus der Fülle der möglichen Lesarten hat sie die „Kulturlandschaft“ und die „Stadt“ sowie die metaphorisch gemeinte „Wildnis“ ausgewählt. In der Verbindung der drei Grundhaltungen mit diesen drei Lesarten ergeben sich neun sogenannte Diskurspositionen, die sie jeweils beschreibt. Dabei kommt ein erhellendes Bild zustande, wie die verschiedenen Grundhaltungen das Phänomen der Zwischenstadt deuten. Als ein Beispiel der neun Diskurspositionen sei an dieser Stelle die Position der „Qualifizierer“ der Zwischenstadt umschrieben, die diese als „Stadt“ sehen. Die Vertreter dieser Position verstehen die Zwischenstadt als einen „Stadt-Archipel“ mit eigenen Qualitäten, dem zwar städtische Eigenschaften zugeschrieben werden, die aber noch weiterzuentwickeln sind.
Diese neun Diskurspositionen folgen bestimmten „kulturellen Mustern“, die von „grundlegend verschiedenen Deutungen der Welt“, also von „unterschiedlichen Weltanschauungen“ abhängen. Vicenzotti unterscheidet hier eine „liberale“ von einer „konservativen“, einer „demokratischen“ und einer „romantischen“ Weltanschauung, die zu jeweils eigenen Begriffen von „Wildnis“, „Kulturlandschaft“ und „Stadt“ führen. Ihr geht es folglich um die „weltanschauliche Herkunft der verwendeten Vorstellungen“. Dazu ist es notwendig, sich jeweils auf einige philosophische Grundlagen und Gedanken einzulassen. Hier wird die Arbeit recht anspruchsvoll und setzt sich deutlich vom bisherigen Fachdiskurs ab, in dem die Analyse des Zwischenstadt-Diskurses auf eine grundsätzliche Ebene gehoben wird. Im Ergebnis liefert Vicenzotti ein „Interpretationsrepertoire“, aus dem Planer und Architekten ihre Vorstellungen zur Zwischenstadt artikulieren.
Exemplarisch stellt Vicenzotti in einem weiteren Schritt ihrer Analyse die Verknüpfung der Grundhaltung der „Qualifizierer“ mit der Lesart der „Wildnis“ dar. Die Aussagen zur Zwischenstadt, die aus dieser Diskursposition heraus getroffen werden, werden hier weltanschaulich verortet. Die Vorstellungen der Zwischenstadt als „anästhetische Wüsten“ bzw. als „entfesselte“ bzw. „wild wuchernde“ Stadtentwicklungen werden den jeweiligen Weltanschauungen zugeordnet, wobei im Ergebnis alle vier Weltanschauungen eine Rolle spielen. Sie werden in verschiedenen Kombinationen verwendet und lassen sich als vier verschiedene Typen fassen.
Insgesamt ist eine hervorragend strukturierte und sehr gut lesbare Arbeit entstanden, die für jeden Leser, der den städtebaulichen Diskurs der vergangenen Jahre verfolgt hat, einen Gewinn darstellt. Die Arbeit enthält eine Vielzahl von Aspekten und Argumentationslinien zur Zwischenstadt-Debatte, die bisher in dieser Klarheit nicht zu lesen waren. Die Arbeit ist aber auch für Geographen und andere Raumwissenschaftler Gewinn bringend, die der Methode der Diskursanalyse skeptisch gegenüber stehen, weil sie zu wenig für die gesellschaftliche Praxis bringen könnte. Vera Vicenzotti verdeutlicht mit ihrer Arbeit in vorbildlicher Weise, wie eine plausible Differenzierung und Strukturierung eines städtebaulichen Diskurses die verschiedenen Standpunkte in der Auseinandersetzung über die Zwischenstadt deutlich machen kann. Sie stellt auf diese Weise Wissen bereit, mit den internen Konflikten im Fachdiskurs konstruktiv umzugehen.

Claus-C. Wiegandt




Sohn, Christophe (ed.): Luxembourg. An Emerging Cross-border Metropolitan Region. 313 pp., 20 figs., 25 tabs. and 23 maps. P.I.E Peter Lang, Brussels 2012 € 42,70 / sFr 52.- / £ 36.- / US $ 55.95

For decades, the city of Luxembourg has been marvelled at for its outstanding economic success based on comparative advantages of service specialisation for international customers. This book, whose chapters have mainly emerged from the nationally funded collaborative research project METROLUX, explores various facets of Luxembourg’s recent dynamics, discussing its alleged ‘metropolitan’ qualities and border-transcending influences. An overarching introduction by the editor Christophe Sohn, on the one hand, and concluding remarks by the reputed expert on border regions Bernard Reitel, on the other one, set the framework for a selection of eleven chapters by various authors from Luxembourg, France and Germany, most of them urban or economic geographers.
The introduction (C. Sohn) points out the wider conceptual and political context of ‘cross-border metropolitan regionalisation’ and embeds the book’s topic in relevant academic debates. Employing a critical and reflective view on Luxembourg’s ‘metropolitan’ features, the author succeeds in setting the stage for a fairly honest and – in the sense of an analytical perspective – ‘objective’ taking of stock of the genesis and situation of the urban economy and functions. The first set of chapters, which capture ‘metropolitan centralities’, provide accounts of the development of the knowledge economy in Luxembourg (O. Walther), of the city’s financial services cluster (O. Walther and C. Schulz) and of international perceptions of its characteristics and symbolic values (R. Bläser, M. Gensheimer and C. Schulz). The next part offers some insights into ‘cross-border interdependencies’ of Luxembourg. It includes attempts at determining and mapping variants of the cross-border functional region of Luxembourg urban area (A. Decoville and C. Sohn), using mobility patterns for identifying cross-border peri-urbanisation (P. Gerber, O. Klein and S. Carpentier) and social polarisation dynamics (S. Lord and P. Gerber), and analysing cross-border demographic integration from a comparative angle (O. Walther). The third part is devoted to ‘governance stakes and strategies’, revealing power constellations and approaches that aim at purposefully shaping and constructing a ‘metropolitan cross-border’ Luxembourg. After a description of essential governance structures of the Greater Region and cross-border metropolis (C. Lamour and F. Clément), the role of city networks for cross-border metropolitan governance (E. Auburtin) and challenges for national spatial development policy (A. Decoville) are explored. A debate on how to manage scalar restructuring for the sake of intentionally building a cross-border metropolitan region (C. Sohn and O. Walther) pulls various strings together before the concluding chapter (B. Reitel) returns to an overarching, evaluative perspective on Luxembourg’s emergence as a ‘paradoxical metropolis’.
While the book can only selectively explore some facets of a broad and complex field of dynamic interdependencies, it still manages to pick up processes that are highly illustrative and representative of the wider picture. Especially the insights derived from thorough statistical analysis are of great value to any researcher working on the currently ‘trendy’ topics of (constructed) European metropolisation and cross-border integration. Delivering also rich cartographical material on Luxembourg, this book will contribute to an even better placing of the city as a model case for a cross-border metropolis in the minds of Europeans.

Martina Fromhold-Eisebith




Müller, Bernhard (ed.): Urban Regional Resilience: How Do Cities and Regions Deal with Change? German Annual of Spatial Research and Policy 2010. 163 pp. and 19 figs. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2011, € 106,95

“Resilience seems to have become the new catchword of our times”. This statement by Müller is surely no exaggeration: While for a long time, the notion of resilience has only been known to some well-informed students of ecology or psychology, it has started its global triumphal march during the last decades – and is now also rolling through German academic institutions. In the introduction to the edited book “Urban Regional Resilience: How Do Cities and Regions Deal with Change?” Müller raises some fundamental and promising questions: Does the concept of resilience allow us to develop a new and more appropriate understanding of how to deal with various forms of change? Is the term resilience more than just a dazzling term that appears attractive to scientists, practitioners, funders and politicians alike? After a wave of mostly optimistic contributions about what one might call the ‘bright side of resilience’, this book seems to promise a vital and more critical contribution to the discourse.
At the same time, Müller’s final remarks about the status of this edited book indicates that the editor felt that some readers might be sceptical whether this publication delivers what it promises. The individual chapters demonstrate “that at the present time urban regional resilience is neither a catchword nor a consistent concept […] in Germany” and “that more efforts are required to consolidate a resilience-related approach to spatial research and practice on regional and local levels”.
Before going into detailed discussion, a bit about the book in general: It is published in a series entitled “German Annual of Spatial Research and Policy”. Aim of this series is to “provide an international audience with some insights into spatial research and policy in Germany” (V). Its first section consists of refereed contributions, some of them rather conceptual in their tone, others rather empirically driven. The second section highlights recent research activities by giving short overviews about different topic. This review relates mostly to the refereed chapters.
The book chapters can be clustered in three groups. The first group of contributions makes no explicit link to the main title of the book; they rather seem to refer to its subtitle: “How do cities and regions deal with change?” Dosch and Porsche outline the mission of rebuilding cities more resource-efficient by considering energy-concepts, adapting to climate change and managing land use accordingly. Fuhrich and Godebaur concentrate on urban restructuring processes in Eastern and Western Germany. Burdack and Lange are concerned with what they call creative knowledge workers in larger cities in Central and Eastern Europe. Schmidt outlines a strategy for dealing with change in the context of Switzerland’s regional development. Despite the fact that all contributions would allow a link to resilience, such links are not made. Personally, I would have been interested in such links and would have liked to know more what, to give just one example, the possible interconnections between urban renewal and resilience are. Even some speculative thoughts would have served the purpose.
The second group of contributing authors has mostly expertise in urban and regional studies and only recently started to explore the field of resilience related research. These chapters attempt to establish linkages between topics that are situated in their respective fields of research and the concept of resilience. Lange’s chapter “Urban resilience and new institutional theory: A happy couple for urban and regional studies?” explores how the concept of resilience can help researchers to study the response of local and regional actors to socio-economic challenges. This chapter is quite relevant as a more theoretically inspired contestation with the concept of institutions would surely be beneficial for the discussion on resilience. Particularly studies on socio-ecological systems are often applying a rather common-sense based understanding of institutions lacking a more nuanced appreciation of the various schools of institutionalism.
Deppisch and Schaerffer in their contribution “Given the Complexity of Large Cities, Can Resilience be Attained at All?” demonstrate convincingly that complexity has not yet been sufficiently taken into account in recent studies on urban resilience, as most studies tend to focus on single aspects (e.g., infrastructure, ecosystems) in a stepwise and often fragmentary mode of analysis. Röhring and Gailing’s chapter touches another exciting topic – the interlinkages of stability and adaption. In “Path Dependency and Resilience: The Example of Landscape Regions” they outline the connection between path dependency theory and the concept of resilience and then introduce two case studies. The chapter by Kilper and Thurmann on “Vulnerability and Resilience: A Topic for Spatial Research from a Social Science Perspective” underlines that terms such as vulnerability and resilience offer quite a remarkable potential for social science oriented spatial research.
All four chapters are insightful and at the same share a similar weakness: They lack a systematic and more in-depth argumentation: Lange, for instance, seems to rather take it for granted that his readers are familiar with the concept of new institutionalism. Deppisch and Schaerffer’s account ends with the plea that complexity should be treated more systematically in studies on urban resilience without providing further specification of what such an endeavour would look like. Röhring and Gailing’s contribution might leave some readers curious about the nature of the interlinkages between resilience and path dependency and to what kind of construction the authors are referring to. Similarly Kilper and Thurmann’s plea that vulnerability and resilience are a fruitful topic for the social science might leave some readers a bit puzzled considering the vast body of social science literature published over the past 30 to 40 years on both topics.
The third group of contributions are placed within a discourse that looks back at some years of trying to come to terms with the concept of resilience and focus on natural hazards. Naumann and his colleagues introduce the reader to the topic “Resilience and Resistance of Buildings and Built Structures to Flood Impacts: Approaches to Analysis and Evaluation”. The authors give a good overview about the state of the art in this area of rather engineering based assessment approaches and demonstrate how their analysis is able to asses the efficiency and effectiveness of different measure or a evaluate the ideal balance of different measures. Hutter explores another aspect more in-depth: “Planning for Risk Reduction and Organizing for Resilience in the Context of Natural Hazards”. While the difference between planning for risk reduction and organizing for resilience seems at first sight trivial, this difference is quite substantial: While planning is, for instance, a future oriented process that is based on shared goals, a set of well defined categories as well as action measures; organizing for resilience is a failure oriented process, that is looking for new categories to detect new details of context and is based on a rather broad repertoire of measure and actions. Based on a quite systematic elaboration of the differences between both strategies that provides a comprehensive overview about relevant literature a reader might be interested to explore, he convincingly outlines some of the ways in which planning for risk reduction and organizing resilience might be combined.
It is best to evaluate this book on two levels. On the one hand, this is a relevant book as it introduces international readers to the state of discussion within some German research institutes. At the same time, it outlines many topics that would deserve more attention both within the German discourse but also on an international level. In this sense, this book underlines that resilience is a term that despite its fluidity and its multiple meanings, interpretation and conceptualizations stimulates exchange and discussion among and between disciplines.
On the other hand, this book might leave some readers a bit confused. First, there are some topics which appear at first sight quite promising but are not explored sufficiently. These chapters would surely have benefited considerably from some more thought, time and discussion. Second, the book lacks a summarizing or concluding chapter attempting to bring the different ideas and thoughts in relation to each other by developing a common panorama or identifying some of the major trends that were highlighted throughout the book. Admittedly, this is not an easy task. However, one wishes that some of the thoughts outlined in the book are taken up by the authors after they finished their chapters in order to develop them further. This leads to a more general observation: Some readers might even question whether “resilience” is indeed the appropriate concept to develop “strategies to prevent and recover from urban and regional distress and decline, and to cope with new social and economic challenges” (Müller). By referring to Hutter’s convincing differentiation between resilience and planning, one is wondering if many urban problems are not simply solvable by better planning, that means by focusing on well known problems, getting them on the political and public agenda and trying to tackle them? It seems to be about time to critically examine the potential and downside of this remarkably dazzling term.

Christian Kuhlicke




Altrock, Uwe und Bertram, Grischa (Hg.): Wer entwickelt die Stadt? Geschichte und Gegenwart lokaler Governance. Akteure – Strategien – Strukturen. 350 S. und zahlr. Abb. transcript Verlag, Bielefeld 2012, € 32,80

Anliegen und Ausgangspunkt des Sammelbands ist die Exploration eines neuen Analyseansatzes für die Planungswissenschaften, insbesondere der Stadtplanungswissenschaft, der zum einen die Rolle der Wirtschaft in der Stadtentwicklung stärker in den Blick nimmt und zum anderen Beziehungen zwischen Akteursgruppen und die daraus entstehenden Folgen für die Stadtentwicklung untersucht. Dieser Analyseansatz wird als „Governance-Perspektive“ bezeichnet, welcher „eine Erforschung der Einflüsse unterschiedlichster nicht-staatlicher Akteure auf die Stadtproduktion“ (S. 12) zum Ziel hat. Dadurch, so die Herausgeber, soll „auf zwei Ebenen eine neue Sichtweise“ deutlich werden, indem sie zum einen dazu herausfordert, die „Kräfteverhältnisse zwischen den gesellschaftlichen Sphären im Dynamischen Feld der Stadtproduktion empirisch zu bestimmen“ und zum andern soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass „die Form und Intensität der Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren relevant [ist] für die Stadtproduktion“ (S. 11). Die Autorinnen und Autoren sind nicht nur in den Planungswissenschaften, sondern auch in anderen Disziplinen der Stadtforschung verankert (Architektur, Stadt- und Regionalplanung, Städtebau, Stadtgeographie, Stadtsoziologie).
Nach einer Einführung, in der das Anliegen des Sammelbands erläutert wird, umreißt Klaus Selle diese dem Band zu Grunde liegende Governance-Perspektive als „spezifische Beschreibungs- und Analyseform“ (S. 47), welche „hilft, Akteure, Interdependenzen und Raumbezüge ‚elementar‘ zu verstehen“ (S. 46). Darauf folgen vier inhaltliche Blöcke, die die Rolle unterschiedlicher Akteursgruppen und Akteurskonstellationen in der Stadtproduktion zwischen 1600 und 1975 (mit einem Schwerpunkt auf den Zeitraum 19./20. Jahrhundert) in den Blick nehmen; so geht es zunächst um das „Staatsverständnis im Wandel“, dann um „Staatliche Aufgabenerledigung im Wandel“, um „Unternehmerische Stadtentwicklung“ und zuletzt um „Zivilgesellschaft im Wandel“.
In insgesamt zwölf detailreichen und angenehm zu lesenden Fallstudien, vorwiegend aus Deutschland, untersuchen die Autorinnen und Autoren stichprobenartig das Verhältnis von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Auf ganz unterschiedliche Weise wird deutlich, dass viele Akteurskonstellationen bereits früher existierten. Als begrenzende Rahmenbedingung für ihr Anliegen benennen die Herausgeber die Schwierigkeit, geeignete Daten zu historischen Fallbeispielen zu finden, welche Rückschlüsse auf die Einflüsse und Beziehungen unterschiedlicher Akteure in der Stadtproduktion geben könnten. Für die dennoch daraus entstehenden Möglichkeiten ist das Buch Beleg. Entsprechend können und müssen die einzelnen Kapitel auf ganz unterschiedliche Aspekte eingehen und teilweise auch Vergleiche zwischen gleichzeitig stattfindenden Projekten der Stadtproduktion anstellen: So kann zum Beispiel Hildegard Schröteler-von Brandt in ihrem Beitrag „Stadtbaupläne in der rheinischen Provinz im frühen 19. Jahrhundert“ intensiv auf Konflikte zwischen Akteursgruppen eingehen, da diese belegbar sind; andere Autorinnen und Autoren müssen sich auf eine Beschreibung des Planungs- und Bauablaufs sowie der beteiligten Akteursgruppen beschränken.
Einzelfallstudien im Band gehen u.a. auf die Bedeutung veränderter politischer Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Idealvorstellungen für Stadtproduktion und beteiligte Akteursgruppen ein (Gerhard Fehl über „Fürstenwille und Bürgerwille bei der Stadtplanung. Zur Stadterweiterung von Hanau a. M. um 1600“, Jan Volker Wilhelm zu „Auf dem Weg zur idealen Stadt. Die Ausprägung der lokalen Govnernance in Göttingen“ und Otto Kastorf zu „Konkrete Utopie. Peter Rehders Gutachten ‚Die bauliche und wirtschaftliche Ausgestaltung und Nutzbarmachung der lübeckischen Hauptschiffahrtsstraßen‘“). Andere Fallstudien konzentrieren sich auf die Rolle städtischer Wirtschaftsakteure (wie u.a. Renate Kastorff-Viehmann zu „Die Stadt der Unternehmer. Oder: Das diskrete Geschäft der kleinen Bourgeoisie“) oder die Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure wie u.a. Ulla Terlinden zu „Kommunale Wohnungsversorgung als Tätigkeitsfeld der ‚bürgerlichen Frauenbewegung‘ in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg“.
Darüber hinaus finden sich auch vergleichende Fallstudien im Sammelband, wie zum Beispiel die Beiträge von Friedhelm Fischer zur Governance von Gartenstädten („Zur Governance der Gartenstadt. Magdeburg zwischen ‚Rotenburg‘ und ‚Protzenheim‘“), von Steffen Krämer zu Arbeitersiedlungen („Deutsche Unternehmer und ihre Arbeiterkolonien im 19. und frühen 20. Jahrhundert“), von Celina Kress zu zwei Berliner Bauunternehmen („Haberland und Sommerfeld. Akteure und Strukturwandel in der Berliner Stadtentwicklung vor und nach dem Ersten Weltkrieg“). Diese machen die Gleichzeitigkeit von Stadtproduktion deutlich, dass zum gleichen Zeitpunkt ganz unterschiedliche Akteurskonstellationen Stadt produzierten. Und durch internationale Beispiele wird auch die Bedeutung der rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich, zum Beispiel in einem transnationalen Vergleich, dem Beitrag von Dirk Schubert „Governancestrukturen, Pfadentwicklungen und räumliche Auswirkungen auf das Verhältnis von Stadt- und Hafenentwicklung in London und Hamburg“ sowie je einer Fallstudie von Barbara Schönig zu „Der ‚Regional Plan for New York and Its Environs‘ und die Macht zivilgesellschaftlicher Kompetenz in Zeiten gesellschaftlicher Krise“ und von Ingrid Lübke zu „Die Rotterdamer Projektgruppen. Ein Beispiel für lokale Governance beim behutsamen Umbau der Stadt in den 1970er und 1980er Jahren“.
Im abschließenden Kapitel werden diese ganz unterschiedlichen und vielfältigen Eindrücke und Anregungen, die man beim Lesen gewinnt, zusammengefasst und im Hinblick auf eine Ausweitung bzw. Verfeinerung der Governance-Perspektive diskutiert. Es handelt sich dabei notwendigerweise, und wie die Herausgeber schreiben, um „erste tastende Schritte“ (S. 304), um punktuelle Stichproben, aus denen sich vielfältigste Anknüpfungspunkte und Forschungsfragen ergeben können. Deutlich wird auf jeden Fall, dass es zu keinem historischen Zeitpunkt nur einen Lösungsweg gab, dass vielmehr ganz unterschiedliche Entwicklungsmodelle mit unterschiedlichen Akteursgruppenkonstellationen parallel existierten. Über die Erkenntnis hinaus, dass Planung schon seit vielen Jahrhunderten auch von Nicht-Planern bestimmt war, folgern die Herausgeber auf Grundlage der Beispiele, dass enge Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft vor allem in Zeiten des Strukturwandels von Bedeutung seien (hierdurch erklären sich dann auch die „Wandel“-Überschriften der vier Abschnitte); wann die Zivilgesellschaft in der Stadtproduktion an Bedeutung gewinnt, das bleibt, wie die Herausgeber betonen, leider noch im Unklaren. Insofern lohne es sich durchaus, zukünftig in den Planungswissenschaften sowohl Akteurskonstellationen stärker in den Blick zu nehmen als auch stärker mit anderen Disziplinen der Stadtforschung und insbesondere den Historischen Wissenschaften zusammenzuarbeiten, um heutige Prozesse der Stadtproduktion besser zu verstehen.
Ein Erkenntnisgewinn für die Leserinnen und Leser erfolgt zunächst daraus, dass alle Autorinnen und Autoren direkten Bezug nehmen auf die Ausgangsthesen und -fragen des Buchs bzw. der Tagung 2007 in Kassel, auf der dieses Buch basiert. Was im Weiteren u.a. fehlt, und auch das benennen die Herausgeberinnen und Herausgeber, sind einerseits Theorien und Modelle, die den Einfluss von Akteuren sowie Zusammenhänge zwischen politischem System und Stadtentwicklung erklären und andererseits systematische Ansätze, aus denen Erkenntnisse für die heutige Stadtproduktion gezogen werden könnten. Aufgrund des oben bereits angedeuteten Problems der Quellenverfügbarkeit ist dies wahrscheinlich schwierig. In der Folge stellt sich bei der Lektüre der Fallbeispiele die anregende Frage, ob und in welcher Form diese als exemplarisch verstanden werden können, welche Beiträge Disziplinen außerhalb der Stadtforschung leisten könnten – und nicht zuletzt, ob die Unterteilung in wirtschafts-, politik- und zivilgesellschaftliche Akteure auch zukünftig ausreichend und zielführend sein wird.

Carolin Schröder




Liefner, Ingo und Schätzl, Ludwig: Theorien der Wirtschaftsgeographie. 10. Aufl. 218 S., zahlr. Abb. und Tab. UTB 782. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012, € 19,99

1978 veröffentlichte Ludwig Schätzl das Werk Wirtschaftsgeographie 1 /Theorie und in der Folgezeit die ergänzenden Bände  Empirie (Bd. 2) und Praxis (Bd. 3). Damit wurde die später als raumwirtschaftlicher Ansatz gezeichnete „Hannoveraner Schule“ geboren. Damals gelang Schätzl erstmals eine systematisierte Zusammenstellung der raumrelevanten Wirtschaftstheorien und das Werk entwickelte sich rasch zu einem fachwissenschaftlichen Klassiker. Während die Rezeption der Bände 2 und 3 im Vergleich zum ersten Band eher mäßig ausfiel, wurde Letzterer mehrfach überarbeitet und aktualisiert. Mit der nunmehr in Zusammenarbeit mit seinem Schüler Ingo Liefner vorgelegten 10. Auflage werden weiterhin die etablierten Theorieansätze (Standorttheorien, räumliche Mobilitätstheorien, regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien) vorgestellt, aber in einem zweiten, umfänglichen Teil durch vorrangig neuere Theorieansätze (räumliche Organisations- und Netzwerktheorien), ergänzt, die der größeren Komplexität der räumlichen Organisation der Wirtschaft in Zeiten der Wissensgesellschaft und der Globalisierung Rechnung tragen sollen.
Dieser neue 2. Teil des Buches (Kapitel 5) ist in 5 Abschnitten organisiert. Zunächst wird der Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft kurz skizziert, womit die umfassende Bedeutung von Netzwerken begründet wird. Mit der ressourcenbasierten Organisationstheorie werden sodann aus unternehmerischer Per-spektive die Optionen in der Organisation der betrieblichen Ressourcen (Outsourcing, Vernetzung, Kernkompetenzen), insbesondere des Wissens, diskutiert. Im folgenden Abschnitt werden Graphen- und soziale Netzwerktheorie sowie Wertschöpfungsketten und die Theorie des multinationalen Unternehmens als Netzwerktheorien vorgestellt. Daran schließen sich Ausführungen zur Vernetzung und räumlichen Wissensmobilität an, die eigentlich auch im Kapitel 3 des Buches (räumliche Mobilitätstheorien) hätten dargestellt werden können. Gleiches gilt für den letzten Abschnitt zur regionalen Entwicklungsdynamik, der gut in Kapitel 4 Regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien gepasst hätte. In der Konsequenz ergibt sich in der Neuauflage ein eigentümlicher Dualismus zwischen alter und neuer Theorie, der die „additive Struktur“ des Werkes verstärkt. Hier wäre eine deutlichere wirtschaftsgeographische Synthese aus alten und neuen Ansätzen wünschenswert gewesen, welche die traditionelle systematisierende Darstellung des alten Werkes überwindet und eine eigenständige wirtschaftsgeographische Theoriebildung präsentiert hätte. Auch der neue Titel „Theorien der Wirtschaftsgeographie“ unterstreicht den pluralistischen Charakter der Überarbeitung.
Gleichwohl stellt die Neuauflage spannende, dominant mikroökonomisch orientierte und für die Wirtschaftsgeographie wichtige Theorieansätze zur Diskussion und empfiehlt sich damit nicht nur als ein Lehrbuch für Studierende, sondern auch als eine anregende Lektüre für die fachwissenschaftliche Community, da die evolutionäre Entwicklung des raumwirtschaftlichen Ansatzes natürlich von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Wirtschaftsgeographie ist.

Walter Thomi

 

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